Gerade finden viele Treffen im Team online statt: Auch das Barcamp der eigentlich für Erfurt geplanten Coworking Konferenz Cowork2020 fand Ende April online statt. Zum Start in die Sessions des virtuellen Barcamp Coworking bot ich in der ersten Runde ein „Online Meeting Moderation • Ask Me Anything“ an. Denn wer hier wie viele andere Neuland betritt, konnte sich in dieser Session gerne mit Fragen direkt an mich wenden.
Doris Schuppe • Der Beitrag Online Meeting Moderation erschien zuerst im Blog DoSchu.Com. Hier finden sich gesammelt Learnings aus meinen Sessions zu den Online Barcamps #bcna20digital, #bcnightdigital, #bcnue20digital und #cowork2020, zum virtuellen Netzwerktreffen der webgrrls sowie dem #MOOCamp20.
Dabei lag der Fokus für meine Austausch-Session weniger auf Technik oder der ‚richtigen‘ Plattform. Es ging vielmehr darum ein Verständnis zu gewinnen, was an Online-Meetings anders ist, auf was wir als Moderator:innen achten sollten, und wie mehr Menschen trotz verminderter Aufmerksamkeit in Videokonferenzen „dran“ bleiben.
Die liebe Technik!
Klar ging es zum Einstieg doch kurz mit Technik los – das bleibt ja nicht aus, wenn Video-Konferenzen erst entdeckt werden. Dazu ein paar Empfehlungen und Learnings:
- Als Moderation eigene Technik, Kamera, Mikrophon, Headset zeitnah testen, damit es keine technischen Überraschungen gibt. Ich habe jetzt zudem immer ein zweites Headset in Griffnähe – durch die starke Beanspruchung gab schon manches Kabel den Geist auf. Aktuell bin ich bei Headset Nummer 3.
- Vortreffen in lockerer Atmosphäre – bevor ein wichtiges Meeting oder eine längere Online-Session ansteht, für alle, die kaum oder keine Erfahrungen mit der gewählten Videokonferenz-Lösung haben. Ein 30-minütiges Warm-Up, in dem alle Fragen geklärt werden können, nimmt sehr viel Stress von den Schultern einiger Teilnehmenden.
- Noch eine Anmerkung zum Headset: Bluetooth-Kopfhörer können in Wifi-Umgebung unangenehme Nebenwirkungen haben: In unserer Session flackerte der Screen einer Teilnehmerin – wegen Interferenzen mit dem Kopfhörer!
Geknautschte Komfortzone
Auch wenn sich manche kurzfristig gut eingelebt haben in Digitalien: Viele Teilnehmende empfinden sich weit jenseits ihrer Komfortzone, wenn sie zu Besprechungen oder Zusammenarbeit in einer neuen Online-Umgebung eingeladen werden. Daher ist für die Moderation wichtig, in Web-Meetings davon auszugehen, dass sich einige unwohl fühlen, sie nach Funktionen zur Steuerung suchen, leicht nervös werden und rascher erschöpfen.
Das gewohnte Tempo einer Besprechung in der realen Welt kann per se nicht 1:1 auf das Online-Treffen übertragen werden. Das hat sich ja inzwischen in den verschiedensten Szenarien gezeigt. Insofern findet die Veränderung zum großen Teil bereits bei der Agenda an!
- Was können wir uns vornehmen in der zur Verfügung stehenden Zeit, wenn wir davon ausgehen, dass es manchmal länger dauert bis alle auf dem gleichen Stand sind?
- Wie teile ich die Zeit ein?
- Was kann auch an anderer Stelle stattfinden?
- Wie plane ich so genannte Energizer ein zur Auflockerund und kurzer Entspannung?
Anlass klären
Apropos Agenda: Für jedes Meeting – ob analog oder digital – ist vorab zu klären, um was es gehen soll. Und noch wichtiger als in der realen Welt ist die Frage zu beantworten: Welches Format passt zum Anlass am besten?
Anlässe für Meetings sind u.a.:
- Informations-Austausch für Projekt, Team, Abteilung, …
- Entscheidung im Team herbeiführen
- Strategie-Entwicklung für Projekt, Team, Abteilung, …
- Wissensvermittlung mit Trainer:in / Expert:in
- Onboarding von neuen Kolleg:innen
- Ansprache ans Team, Abteilung
- Gemeinsamer Lern-Austausch
- Gruppengefühl & Spass
Muss jeder Anlass zu einem Meeting in eine Einladung zur Live-Video-Konferenz münden? Sind manche Informationen eventuell rascher, tiefer und nachhaltiger über gemeinsame Online-Tools zur Zusammenarbeit verbreitet?
Genau dann, wenn es wichtig ist, gemeinsam etwas zu entwickeln, aus der Interaktion Neues entstehen zu lassen, Nähe herzustellen – dann sind Online Meetings klar zu bevorzugen.
Ankommen & Kennenlernen
Völlig anders als in der analogen Welt: Die Teilnehmenden eines Online Meetings nehmen sich gegenseitig deutlich weniger wahr. Die einen kämpfen noch mit dem Vertrautwerden (siehe oben) – andere checken noch ’schnell mal eben‘ das eMail-Postfach. Da hilft es gleich von Anfang an alle anzusprechen und einzufangen sowie insgesamt das pünktliche Einklinken ins virtuelle Meeting zu verabreden.
Dieses Ansprechen ist ein guter Punkt: Egal was ihr als Moderation macht, ob ihr einen Link heraussucht für den Chat, oder damit ringt das Online Whiteboard ins Screen-Sharing zu bekommen: Es hilft die Aufmerksamkeit zu halten, wenn ihr wie die Sportkommentator:innen stets dazu sprecht, was ihr gerade macht. Sonst befürchten die Teilnehmenden die Konferenz wäre eingefroren oder habe einen Tonausfall. Naja, und dann könnte ich doch kurz mal…. In einer Session nannte es jemand ‚Over-Communication‘. Als den positiven Effekt, wenn die Moderation gefühlt sehr viel im Online Meeting kommuniziert.
Zur Auflockerung lasse ich gerne am Anfang kleine Zettel für das Online-Meeting bemalen. Denn klar kann mal was schiefgehen. Und manchmal ist auch ein Thema einfach ausdiskutiert. Das kann dann ganz gut mit den Klebezetteln in die Kamera zum Ausdruck gebracht werden. Dazu gibt es schön gestaltete Karten etc. – ich mag die gemeinsame kurze Aktivität.
Auf die Klebezettel schreiben wir dann so kurze Dinge wie:
- Ja! :: Für Zustimmung ohne grosse Worte zu machen.
- Höre nichts :: Teilnehmenden können so signalisieren, dass etwas mit dem Ton nicht stimmt.
- Eingefroren :: Manchmal merkt die Moderation oder der aktuelle Sprechende nicht, dass sie eingefroren sind.
- Nein! :: Für raschen visuellen Widerspruch.
- E.L.M.O. (enough let’s move on) :: Das Thema ist ausdiskutiert, das Gesagte wird nur noch mal wiederholt? Mit ELMO signalisieren Teilnehmende, wenn nach ihrem Gefühl gerne der nächste Punkt in der Agenda angesteuert werden kann.
Die Videostreams der Teilnehmenden hat die Moderation oft im Fokus, auch den geteilten Bildschirm. Schon mal dran gedacht, aktiv von Zeit zu Zeit in die Kamera zu schauen und die Teilnehmenden direkt anzulächeln? Die eingebaute Kamera befindet sich leider oberhalb des Geschehens in der Gruppe, des Chats oder geteilten Bildschirms. Daher schauen wir selten direkt hinein. Für die direkte Ansprache am besten ein Smiley neben die Kamera kleben zur Erinnerung!
In der Lerngruppe „Aus Analog mach Digital“ im Rahmen des Corporate Learning MOOCamp 2020 arbeite ich im Team „Icebreaker“ genau an dieser Phase eines Online-Meetings oder Web-Seminars. Dazu melde ich mich dann noch in einem späteren Blogbeitrag, versprochen!
Pausen & Entspannung
Im Raum gemeinsam mit anderen Menschen spüren wir, wenn die Luft kaum noch Sauerstoff liefert. Oder wir sehen es den anderen an, weil jemand ein Gähnen unterdrückt oder einer Person ab und zu mal die Augen zufallen. Im Online Meeting sollte die Agenda mehr Unterbrechungen integrieren als in der realen Welt. Daher unbedingt Pausen auf dem persönlichen Merkzettel haben und einen Timer stellen: nach 45 Minuten ist ein kurzer Break gut, nach 90 Minuten eine längere Pause.
Cooles Tool ist auch ein gemeinsamer Timer, der allen im Meeting über eine Website anzeigt, wo das Meeting gerade zeitlich steht (siehe Cuckoo in Ressourcen). Manche Whiteboard Lösungen haben Timer in ihren Online Boards, die aktiviert werden können.
Macht euch vorher Gedanken, was ihr den Teilnehmenden Gutes tun könnt mit kleinen Entspannungsübungen für Augen, Nacken oder Schultern. Welche Laptop Asanas vielleicht für die Gruppe passen. Oder ihr schickt alle ans Fenster, um es zu öffnen und ein paar tiefe Atemzüge zu nehmen. Wenn sie zurückkommen erzählen sie, was zu sehen war.
Empathie & Geduld
Ihr seht schon, diese Moderation verlangt viel mehr von uns, als wir es von Meetings oder Seminaren im Besprechungsraum gewohnt sind. Uns allen fehlen die feinen Informationen, die wir in der Sprache, Mimik, in Körperhaltungen und Gesten anderer Menschen wahrnehmen. Es ist daher gut, die eigenen Antennen noch weiter auszufahren um sehr konzentriert aufzunehmen, was euch an Rückmeldungen geboten wird. Dazu ist es auch wichtig, dass die Kameras aktiv bleiben (und ihr für wichtige Besprechungen nach Möglichkeit eine Plattform wählt, die euch alle Teilnehmenden anzeigen kann).
Positiv im Online Setting: Falls sich jemand auffallend anders als sonst verhält, kann in einer persönlichen Nachricht im Chat vorsichtig nachgefühlt werden, ohne dass es andere mitbekommen. In der aktuellen Situation kann es sehr gut sein, dass der Druck und die Sorge um die Familie oder erkrankte Verwandte hoch ist.
Übt euch in Geduld, wenn es manchmal länger dauert und denkt im Vorfeld darüber nach, was ihr an euren Methoden verändern könnt, um alle mitzunehmen. Hier ein paar Beispiele zur Anregung dazu:
- Wasserfall Chat • Statt die Antworten auf eine Frage im Text-Chat von den schnellsten im Team hereinsprudeln zu lassen bittet ihr alle, zunächst die Idee ins Chat-Fenster zu tippen, jedoch erst auf das Signal der Moderation gleichzeitig abzusenden.
- Circle Way • Zu Beginn des Meetings bestimmt ihr per Losverfahren, in welcher Reihenfolge die Teilnehmenden zu den Themen sprechen werden. Dann spricht genau in dieser Reihenfolge jeweils eine Person, alle anderen hören aufmerksam zu und gehen auf die Themen erst ein, wenn sie selber an der Reihe sind.
- Online Whiteboard / Google Slide • Oder ihr nutzt eine gemeinsam nutzbare Online-Fläche, auf der jede:r anonym und im eigenen Tempo die Gedanken notieren und mit allen sichtbar teilen kann.
Visualisierung & Medienbruch
Apropos Online Whiteboard – das haben viele Videokonferenz-Lösungen mit an Bord. Oft jedoch nur mit sehr grundlegenden Funktionen. Wenn in eurem Team bereits andere Tools zur Online Collaboration im Einsatz sind, könnt und solltet ihr die auch zur besseren Visualisierung des Meetings nutzen. So bleibt die Agenda auf einem gemeinsamen Online Whiteboard für alle gut im Blick. Oder die Reihenfolge der Diskussion im oben angesprochenen Circle Way kann dort notiert sein.
Selbst wenn einem selber danach ist, zwischen den perfekten Tools wie eine Biene von Blüte zu Blüte zu fliegen: Schont eure Meeting-Kolleg:innen! Meine Empfehlung ist so wenige Medienbrüche wie möglich einzuplanen, lasst euch nicht zu einer wilden Tool-Safari verleiten. Wenn euch das Online Whiteboard liegt, reizt die Möglichkeiten aus und nutzt es so interaktiv wie möglich. Statt einer geteilten Präsentation zeigt in der Praxis, um was es geht (die Folien dienen dann langfristig als Wissensspeicher).
Let’s break out
In der Vorstellungsrunde bei größeren Gruppen, in Trainings oder auch zur Entscheidungsfindung ist die Aufteilung in Gruppen eine wertvolle Methode. Hier auf Mallorca verteilen sich die Teilnehmenden auf Seminarraum, Innenhof, Chillout-Area oder Café. In der Akademie nutzen wir die Cafeteria und die vielen verteilten Sitzecken. Manche Online-Lösung wie Zoom bieten an, die Teilnehmenden zufällig oder gewählt in so genannte Breakout Rooms zu schicken. Alternativ könnt ihr mehrere Video-Konferenzräume parallel einrichten oder – wenn sich die Teilnehmenden kennen – anregen sich im Messenger zum Video-Chat zu verabreden.
Im Seminar laufe ich dann zu den Teams und frage nach, was sie brauchen. Und ich sammle alle wieder ein, wenn wir in der großen Gruppe weiterarbeiten möchten. In der Online-Welt ist es mit integrierten Breakout Rooms möglich als Moderation die einzelnen Teams zu besuchen. Mit Texthinweisen kann eine Anleitung und Informationen zu Zeiten gegeben werden. Wenn die Gruppen auf verschiedene Plattformen oder Videostreams verteilt sind, braucht es eine vereinbarte Kommunikationszentrale, wo alle Informationen zusammen laufen. Sonst droht den einen oder die andere zu verlieren.
Offline & Online in einem Meeting?
Besonders in Zeiten, wo Teile des Teams ins Büro kommen (können) und andere aus dem Home Office arbeiten, gehen einige reflexhaft in den Besprechungsraum und holen externe per Video-Konferenz dazu. Vermeidet solche hybride Meetings oder gar Seminare, bei denen 3-4 Leute um einen Tisch sitzen und andere per Videochat zugeschaltet sind. Das kenn ich gut aus der ehrenamtlichen Arbeit, wenn nur wenige zu den Treffen reisen können. Jedes Glas auf dem Tisch abgestellt ist ein mittleres Erdbeben, der Sound wirklich nur mit gutem dreidimensionalen Mikrophonen online als verträglich zu bezeichnen.
Meine Empfehlung: Lasst die große Runde mit allen in der Online-Konferenzschaltung teilnehmen und bildet Gruppen, die dann teils online, teils face-to-face zusammenarbeiten. Dazu ein Einwurf in meiner Cowork2020 Barcamp Session: In hybriden Szenarien kommt es unbemerkt zu Gruppenbildung verbunden mit unhinterfragter Thought Leadership.
Mindmap Online Moderation
Aus den Diskussionen habe ich Empfehlungen in ein Mindmap zur Moderation von Online Meetings notiert, das ich hier teile. Es wird sich sicher noch in der nächsten Zeit verändern und verfeinern. Was sind eure Erfahrungen?
Inzwischen erschienen: eBook Online Moderation

Illustrationen: DoSchu / DoSchu.Com mit den Tools Canva.com, Conceptboard, SimpleMind + Book Creator
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