
Wenn eine Dozentin gerade keine Präsenz-Seminare veranstalten kann, ziehen wir um ins Digitale! Geht das für jede Veranstaltung, jeden Workshop, jedes Seminar? Als Fan des ortsunabhängigen Arbeitens habe ich da schon vieles ausprobiert. Welche Überlegungen wichtig sind, damit ein Seminar erfolgreich nach Digitalien umziehen kann, beschreibt dieser Beitrag.
Doris Schuppe • Der Beitrag Jetzt auch im Online-Seminar erschien zuerst im Blog DoSchu.Com.
Ein kleiner mieser Virus wurde schon in vielen Büchern und Szenarien als krasser Veränderer unserer Lebenswelt beschrieben Aktuell hat Covid-19 die Menschen dieser Erde im Griff. Seit vielen Jahren bin ich als Consultant, Dozentin und Trainerin aktiv. Und doch mache ich nur wenig online. In diesem Medium fehlt mir einiges an Informationen, die ich für einen erfolgreichen Workshop für wichtig erachte.
Präsenz & Online im Vergleich
Das schätze ich an Seminaren im realen Leben (Präsenzseminar):
- Rasches Kennenlernen und Vernetzung der Seminargruppe nach wenigen Stunden gemeinsamen Arbeitens
- Mehr Gruppengefühl und Bindung, da alle auf recht engem Raum zusammen sind
- Offenere Diskussionskultur, da Teilnehmer:innen die anderen Menschen rasch einschätzen können
- Non-verbale Rückmeldung der Teilnehmenden – so kann ich einen Aspekt noch mal in andere Worte fassen bevor jemand sagt, es nicht verstanden zu haben, oder ich schlage eine kurze Pause mit Aufstehen und Durchlüften vor, wenn es Anzeichen für Ermüdung gibt
- Leichtes Arbeiten in Kleingruppen
- Wechsel zwischen Flipchart, Whiteboard, Moderationskarten, Aufstehen, Gruppen bilden, Präsentation, …
- Arbeiten an neutralen Trainings-Computern
- Hilfestellung von Seminarleitung für einzelne Teilnehmer:innen – auch kaum wahrnehmbar möglich
Und klar, auch Live-Online-Seminare haben Vorteile:
- Teilnahme von jedem Ort der Welt mit Internet-Anschluss möglich
- Kostengünstig ohne Hotel- oder Reisekosten
- Geringer Zeitaufwand ohne An- und Abreise
- Aufenthaltsort während des Seminars ist selbstbestimmt
- Individuelles Tempo in den freien Übungszeiten / Selbstlernzeiten
- Arbeiten in der vertrauten Umgebung des persönlichen Computers
- Zeit- und aufwandsarmes Hinzuschalten von weiteren Impulsgeber:innen
- Seminarleitung kann ohne Bemerken der anderen Teilnehmer:innen um Hilfe gefragt werden
Wer hat bemerkt, dass mir hier weniger Vorteile einfallen? Ich freu mich auf Ergänzungen in den Kommentaren dazu, wenn mir hier etwas entgangen ist!

Keine 1:1 Übertragung
Wichtig ist zu verstehen, dass jedes Live-Seminar enorm verändert werden muss, wenn es als Online-Seminar angeboten wird. Dabei wird auch das eine oder andere Mal festgestellt, dass die Veranstaltung nicht dazu geeignet ist, online stattzufinden. Oder nur mit Abstrichen im Lernerfolg machbar ist.
Der Vorteil bei Live-Online-Seminaren ist, dass weiterhin die Moderation und die Wissensträger:innen ansprechbar und aktiv dabei sind. Bei der Überführung eines Präsenzseminars in ein Online-Webseminar ohne Dozent:in ist noch viel mehr Arbeit erforderlich, damit es gut wird. Der Vorteil ist, das kann dann zu jeder Tag- und Nachtzeit sowie am Wochenende von den Teilnehmenden gebucht werden. Die intensive Betreuung wie in Präsenz- oder Live-Online-Veranstaltungen fehlt.
Aus zwei Gründen konzentriere ich mich daher aktuell darauf, Live-Online-Seminare statt Selbstlernkurse anzubieten:
- Zum einen ist der Aufwand der Übertragung geringer, denn meine didaktischen Fähigkeiten nehme ich ins Live-Online-Seminar mit.
- Zum anderen möchte ich vorzugsweise auch in Zukunft wieder Präsenzseminare oder Seminare mit Online-Vorstufen & Nachfolgen anbieten (Blended Learning).
Und ja, ich habe es ausprobiert: Damit ein Online-Selbtslernkurs richtig richtig gut wird, muss ich sehr viel in die Online-Didaktik investieren. Dazu kommt in meinem Themenfeld Social Media: Es muss möglich sein, ständig Aktualisierungen einzufügen, da sich dieser Teil der Online-Welt sehr rasch verändert. Und ich muss genau wissen, wo aktualisierte Ansichten zum Tragen kommen, da wird leicht etwas übersehen. Beide Phänomene in Social Media-Kursen anderer Anbieter:innen bringt schon mal Menschen zu mir in kurze Beratungs-Sessions, wenn der Kursinhalt mit veralteten Infos ohne Vorwissen kaum noch nachvollziehbar ist.
Im Präsenzseminar oder Live-Online-Seminar gehen wir live in die Plattformen, und Teilnehmer:innen merken mit mir gemeinsam, wenn sich von gestern auf heute etwas geändert hat. Damit werden sie selber auch daran gewöhnt, dass in Social Media die Oberfläche plötzlich anders sein kann, und das da kein Erinnerungsfehler auf der Seite des Nutzenden vorliegt.

Häppchen-Menü
Die größte Herausforderung ist online neben der Gruppendynamik die Zeit, die für die Stoffvermittlung zur Verfügung steht. Online gibt es eine Faustformel, dass wir uns ungefähr 90 Minuten auf ein Seminar konzentrieren können. So müssen Tages-Seminare in vertretbare Lern-Häppchen aufgeteilt werden. Das bedeutet jetzt nicht, wir können den Tag voll packen mit an einer Kette aufgereihten 90-Minuten Online-Seminaren!
Es ist nämlich sehr anstrengend, am Computer zu arbeiten, die Mimik der Menschen online zu lesen, aus dem 2d-Bild ein vertrauteres 3d-Bild für unser Gehirn zu bilden, in der komprimierten Sprachübertragung die feinen stimmlichen Nuancen herauszuhören, die wir gewohnt sind von anderen Menschen zu erfassen. Daher müssen wir überlegen, wie wir die Lern-Häppchen verteilt zu einem Gesamt-Menü über einen neuen Zeithorizont zusammenstellen.
Aufmerksamkeitsfalle
In Seminaren für Berufstätige ist es völlig ’normal‘, dass Teilnehmer:innen immer mal wieder ihren Smartphones greifen, die mit blinkenden Signalen und kurzen Hinweisen auf sich aufmerksam machen. Der berufliche Alltag geht ja weiter.
In Online-Seminaren ist es für einige noch schwerer dranzubleiben: Im Computer kommen noch Termin-Hinweismeldungen, eMail-Benachrichtigungen und was sonst so für den normalen Wahnsinn eines Social Media-Verantwortlichen etc. eingestellt ist.
Wenn sich dann in Gruppenarbeit in Tandems oder Teams jemand mit anderen Themen beschäftigt, ist das online nur schwer erkennbar. Frustration und Unmut können die Folge sein, online fällt Toleranz anderen Menschen gegenüber schwer – ein Dialemma. (= Dialog Dilemma, ein Versprecher in einem Seminar, den ich sehr passend finde und seitdem öfter mal über solche Dialemmas blogge)

Werbeblock aus eigenem Interesse
Die Seminarleitung der Akademie der Bayerischen Presse (ABP) hat Schulungen, die sowieso die meiste Zeit im Computer stattfinden, rasch per Internet angeboten. Dann wurde über alle Seminare nachgedacht, und so gibt es jetzt erste aus den Präsenzseminaren herausgelöste Elemente in kurzen Online-Einheiten. Da sind noch viele Themen machbar, der Anfang ist gemacht.
Ich freue mich, mit dem Einstiegsseminar „Twitter – in aller Kürze“ und „So kommt Leben ins Online-Seminar“ dabei zu sein.
Alle Webseminare gibt es hier:
abp.de
Illustration: DoSchu / DoSchu.Com mit canva.com
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