
Es ist in Firmen bereits herausfordernd, immer wieder Lerninhalte anzubieten, die zum Lernen anregen und für positive Lernerfahrungen sorgen. In der Corporate Learning MOOCamp 2020 Woche zeigte ein bekannter Hersteller von Heiz-, Industrie- und Kühlsystemen was es zusätzlich bedeutet, das Angebot zur Weiterbildung für eine Zielgruppe außerhalb des Unternehmens „schmackhaft“ zu machen.
Es geht um mobiles Lernen, interaktive Formate, Online-Barcamps, flipped classroom, Lernkompetenz sowie Inspirationen für ein verändertes Wording – besonders wenn Menschen schon durch den Begriff die Lust am Lernen verlieren.
Doris Schuppe • Dieser Beitrag Lerntagebuch :: Handwerk Challenge erschien zuerst im Blog DoSchu.Com. Dieser Beitrag ist unbezahlt und entsteht aus freien Stücken; es besteht keine Verbindung zu den genannten Unternehmen.
Lernangebot für externe Zielgruppe
Ich kann es nicht anders sagen: Von den vier Wochen des Corporate Learning MOOCamp 2020 mit Impulsgebenden hat mich die Woche mit der Viessmann Akademie besonders beeindruckt. Das hat klar viel mit dem für mich bislang eher ungewohnten Fokus auf die Weiterbildung von Handwerker:innen zu tun. Denn neben der Vermittlung von Know-how an die internen Teams geschieht dies auch an die externen Kräfte, die mit der Installation im Feld beschäftigt sind.
Um diese externen Kräfte sollte es zum Auftakt der Woche gehen. Denn diese sind in den Unternehmen der Kundschaft von Viessmann angestellt. Mit jeweils unterschiedlichen Lernkulturen, auf die der Hersteller kaum Einfluss nehmen kann. Der Ansatz ist daher, mit „guten Angeboten, innovativen Settings und positiven Erfahrungen“ auf das Lernverhalten der Zielgruppe einzuwirken.
Wir haben als Hersteller keinen direkten Einfluss auf die Lernkultur der Unternehmen, können weder Zeiten noch Infrastruktur zum Lernen bereit stellen und können Lernräume nur bedingt gestalten.
Steffen Peter / colearn.de/viessmann-der-montag/
Die Viessmann Akademie startete mit den folgenden Fragestellungen in die Woche:
- Wie gestalten wir für diese Zielgruppe anregende Lernräume?
- Wie sind zu ihnen passende Lerninhalte zu entwickeln, die zum Lernen anregen, die Selbstlernen ermöglichen und positive Lernerfahrungen fördert?
- Und schließlich: Wie begegnen wir der Herausforderung, dass in dieser Zielgruppe eine passive Lerneinstellung und ein traditionelles Lernverständnis deutlich überwiegt?

Zielgruppe im Fokus
Im Prinzip gingen wir dann am Dienstag zum Angeln. Dort muss der Köder den Fischen schmecken, damit sie anbeissen. So ähnlich geht auch die Akademie vor, um die Heizungsbauer:innen zu erreichen.
Diesen Ansatz verdeutlichtet das Bild einer Reuse zum Fischfang: Niedrigschwelliger Einstieg zum Abholen der Zielgruppe (per Smartphone Apps sowie YouTube-Videos), Vertiefung mit dem Strom.
Kurze hilfreiche Lerninhalte stehen auf den frei zugänglichen Plattformen des Herstellers bereit, um rasch kleine Probleme des beruflichen Alltags zu lösen. Dabei legen die Verantwortlichen aus Erfahrung viel Wert darauf, das Wörtchen ‚Lernen‘ zu vermeiden. In der Zielgruppe sei dieses Wort seit der Schulzeit leider negativ vorbelastet.
Die nützlichen Problemlöser sind zum Beispiel in den mobilen Produktivitäts-Tools des Heizungsbauers zu finden. Damit ist bereits ein erster Lernraum erschlossen, so auch die einhellige Meinung in den Kommentaren zum Tagesbeitrag. Denn ein Lernraum ist da, wo Lernen stattfindet – zum Beispiel unterwegs per Smartphone.
Die Vertiefung wirbt für das Lernangebot auf der Website viessmann.de/lernraum. Und hier ist zum vereinfachten Zugang das Login quasi bekannt: Wer beispielsweise für eins der nützlichen Tools wie Vitoguide registriert ist, kann auf die Lerninhalten zugreifen.

Von analog zu digital
Ähnlich der Herausforderung in meiner Lerngruppe zum MOOCamp bestehen bei Viessmann viele vertiefende Lernangebot in Präsenzveranstaltungen. So zum Beispiel das beliebte Azubi Camp, ein dreitägiges Training mit Camp-Atmosphäre für die Auszubildenden der Partnerfimren.
Angesichts Covid-19 steht auch die Frage im Raum, wie dies verstärkt digital umgesetzt werden kann. Dazu kamen viele wertvolle Anregungen aus der Community zusammen.
Zum einen berichtete jemand von einer kanadischen Service-Organisation, deren technische Belegschaft vor Ort bei der Kundschaft arbeitete, sich nur selten in der Firmenzentrale traf. Eine eigens für den Austausch entwickelte interne Plattform für mehr Vernetzung wurde jedoch nicht angenommen. Warum?
[Es] hat sich herausgestellt, dass die Techniker schon lange ein Online Spiel nutzten um sich nebenbei zu beruflichen Themen auszutauschen. Diese Spiele verfügen schon lange über die notwendigen Techniken zu geschlossenen und offenen Spielgruppen. Es gibt Chats, Foren und den Teamspeak, also alles was es zur Kommunikation braucht.
Peter Madlener • disqus.com/by/peter_madlener/
Es gab also schon lange ein gut funktionierendes work-around! Eine wertvolle Erinnerung daran, intensiv mit den Menschen zu sprechen, bevor in eine Plattform investiert wird, die dann Staub ansetzt.
Gamification & Interaktion
Apropos Spiele. Diese Idee für die Online-Variante des Azubi Camp der Viessmann Akademie gefiel mir sehr gut:
Wie wäre es damit, Lerninhalte als Escape Games umzusetzen? Habe vor kurzem ein Paper dazu gelesen. Das wäre doch mal eine Challenge, durch die man allein oder im Team gehen könnte. Der Escape Room ist die ‚kaputte‘ Heizungsanlage – wie schaffe ich es, sie möglichst schnell zu reparieren und so den Raum zu verlassen? Natürlich mit weiteren Gamification-Elementen, also Leader Boards, die die besten Zeiten anzeigen. Das könnte auch nach Schwierigkeitsstufen aufgestellt werden, also mit mehr oder weniger Hinweisen zur Lösung. Der Teilnehmende kann den Escape Room erst endgültig verlassen, wenn er die Lösung flüssig anwenden kann; das ist dann der Übungsteil. Je weniger Übungssequenzen es braucht, desto mehr Punkte. (…)
Martina Pumpat • disqus.com/by/martinapumpat/
In Anbetracht der vielen Barcamps, Konferenzen oder Meetups, die gerade in Digitalien stattfinden, legten einige Kommentare nahe, ebenfalls über interaktive Modelle wie Online-Barcamps nachzudenken.
Interaktion kann darüber hinaus schon das Erstellen kurzer Videos sein, in denen Azubis für andere Azubis Lösungen erklären. Also der umgekehrte Lehransatz, auch flipped classroom genannt. Dazu wies ein Kommentator als Beispiel auf Flipgrid hin, eine Online-Plattform, auf der Schüler:innen zu einer gestellten Aufgabe mit ihren Videos von maximal fünf Minuten beitragen:
Diese Plattform ist zwar hauptsächlich für Schüler konzipiert, eine Adaption für den Handwerksbereich könnte allerdings interessant sein.
Jörg Weisner • disqus.com/by/jrgweisner/
Erfahrungen zeigen, dass heutige Schüler, Studenten und sicherlich auch Auszubildende überhaupt keine Hemmungen haben, Selfies zu machen und zu teilen. Lasst uns doch versuche, dies auf interessante Beispiele von gelösten Problemen zu übertragen.

Warum das Konzept nicht auf das Handwerk anwenden? Gute Idee. Und da fällt mir ein, dass mir bereits einige Handwerks-bezogene Instagram-Profile in meinen Social Media-Seminaren begegneten. Deren Bilder, Texte und Videos inszenieren ebenfalls bereits auf gewisse Art und Weise moderne Lernräume:
- @DasHandwerk • Hier wirbt der Zentralverband des Deutschen Handwerks e.V. für die Handwerkszunft und ruft schon mal dazu auf mit Erfahrungen aus der eigenen Branche beizutragen (siehe aktuell die Frage nach „Hitze Hacks“ oder zuvor zum Umgang mit Covid-19).
- @deutsche.handwerks.zeitung • Das Instagram-Profil der Zeitschrift stellt Menschen aus dem Handwerk und ihre Geschichten in den Fokus.
- @frauimhandwerk • Die Anlagenmechanikerin Madita nimmt uns mit ihren Fotos mit auf ihre Baustellen und in die Meisterschule.
- @heizungsbauerausleidenschaft • Mit den Heizungsbauern Andre und Florian unterwegs, die auch den Podcast Feuerfest & Wasserdicht machen.
- @insta_llateur_gram • Installateur Stefan teilt seine Liebe zum Handwerk in Bildern aus der täglichen Arbeit.
- @myhammer_de • Legendär die kommentierenden Videos von Pool-Profi Leif im Rahmen der myHammer-Kommunikation (vielleicht erinnert sich jemand an Julien Bams Pool, siehe youtu.be/7yH1g3HffAw).
- @zinkenundzapfen • Schreinermeister Christoph gibt detaillierte Einblicke ins handwerkliche Tun, damit Zuschauer:innen exakte Holzverbindungen nach bewährtem Erfolgsrezept erlernen.
Plus gerade entdeckt: Im Instagram-Profil @e_zubis berichten seit Juni die drei Azubis Daniel, Luca und Nils (leider keine Frau dabei) in den Stories über ihren Zugang zum Handwerk sowie aus ihrem beruflichen Alltag. Soweit ein paar Inspirationen aus der Instagram-Zone.
Ein deutlich größeres Potenzial auf junge Follower zeigt klarerweise eine ganz andere Social Community. Wer sich in punkto Auszubildende und Social Media engagieren möchte, bitte auf jedem Fall bei tiktok reinschauen! Als Startpunkt nenne ich hier mal das Profil von Handwerkerin Jolantha @jolantahandwerkerin, der mehr als 12.000 Follower folgen…
Gute Zeiten für mehr Selbstlern-Kompetenz?
Wie erwähnt, stand in der Woche eingangs eine Zielgruppe im Fokus, für die weder die Lernbegleitung inhouse noch das interne Vorschlagssystem anhand individueller Entwicklungsziele zur Verfügung steht. Den Abschluss der Woche bildete daher die Frage, wie Interessierte unterstützt werden können, damit sie aus der schier unendlichen Vielfalt an Entwicklungsmöglichkeiten den für sie funktionierenden Weg finden.
Neben den Ideen für KI-gestützte Lern-Navigation oder menschliche Berater:innen wurde auch ein Thema aufgeworfen, das bereits in den beiden Wochen zuvor immer wieder wichtig war: Lernkompetenz und Selbstlern-Kompetenz. Und ja, ich denke durch die plötzliche Reise zum Arbeiten mit räumlicher Distanz sind gerade einige wichtige Kompetenzfelder dafür stimuliert worden. Nun ist es wichtig, den Funken am Leben zu halten und mehr daraus zu machen.
Muss es immer ‚Lernen‘ heißen?
Ein ‚Feuerlöscher‘ solcher Funken ist interessanterweise an ganz anderer Stelle zu suchen. Nicht nur in der Zielgruppe der Viessmann Akademie ist das Wort ‚Lernen‘ verpönt. In einem Kommentar gab es daher einen wichtigen Appell an alle, die für Lernangebote verantwortlich sind:
Mich beschäftigt immer stärker die Frage, ob wir als „Lern-Profis“ das Wort „Lernen“ nicht zu stark in den Vordergrund stellen. (…) Gerade im Handwerksbereich ist es für viele selbstverständlich etwas auszuprobieren, wenn mal etwas nicht klappt. Und oft so lange, bis es klappt. Das ist Lernen in Reinform, den meisten aber nicht unter diesem Begriff bewusst. Vielleicht sollten wir einmal versuchen, verschiedene dem Lernen ähnliche Begriffe zu verwenden, wie z.B. ausprobieren, experimentieren, testen, überprüfen, checken, gucken ob es passt, usw. usf.
Jörg Weisner • disqus.com/by/jrgweisner/
Yay, und hier aus den Kommentaren plus kurzem Brainstorming für jede:n noch weitere Begriffe in alphabetischer Reihenfolge, die zwar mit Lernen zu tun haben, aber nicht nach Schul-Traumata klingen:
ausprobieren • begreifen • besser verstehen • checken • Durchblick erhalten • durchschauen • Erfahrung mitnehmen • erfassen • erleben • experimentieren • gucken ob es passt • kennenlernen • nachvollziehen • Probleme lösen • prüfen • schnuppern • spielerisch erfahren • testen • trainieren • überprüfen • verstehen • vertiefen • Wissen aneignen
Es fehlen noch weitere Worte, die ergänzt werden können?
Schreib es in den Kommentar!

Links zur Vertiefung
- Corporate Learning MOOCamp 2020 colearn.de/moocamp20/
- Viessmann Akademie im #MOOCamp20 colearn.de/viessmann-akademie-lost-in-space-oder-wo-finde-ich-den-richtigen-lernraum/
- Abschlussvideo zur 4. #MOOCamp20 Woche colearn.de/clp105-moocamp20-woche-4-viessmann-freitag-session/
- Blogartikel über Flipgrid digitale-schule.net/apps/flipgrid
Illustration: DoSchu / DoSchu.Com u.a. mit Canva.com bzw. Screenshot aus #moocamp20