Gerade las ich ein Buch, von dem ich denke, dass es für einige Social Media-Verantwortliche eine prima Lektüre ist. „Nicht mit mir!“ lautet der Titel dieses Werks, damit wir „Souverän bleiben bei Menschen, die einen immer wieder aus der Fassung bringen“ – so das Versprechen im Untertitel.
Erst dachte ich, das Buch hat nicht viel mit dem Themenfeld meines Blogs rund um Social Media und digitale Kommunikation zu tun. Während des Lesens dämmerte mir dann, wie wertvoll die Buchkapitel auch für Social Media-Teams sind.
Schon mein persönlicher ‚Seite 42-Test‘ –bis zur Seite 42 eines Buches blättern, reinlesen und fragen, ob die Passage zu mir spricht– traf ins Schwarze. Eine Passage auf dieser Seite kenne ich sehr gut aus Kindheit und Jugend:
„Das ist doch nicht so schlimm. Du bist viel zu emotional. So kannst Du in der Welt nicht bestehen.“
Eine ‚Weisheit‘, die leider viel Kälte in die (Business)Welt gebracht hat – und wahrscheinlich noch weiter bringt. Umso wichtiger diese aufzubrechen und durch neue, positive Weisheiten zu ersetzen.
Statt Abhärten besser Auflösen
Die beiden Autorinnen können uns den Rücken für Situationen wie diese stärken: Ihr beantwortet gerade etwas niedergeschlagen einen echt miesen Kommentar in der Facebook Seite, und Kolleg.innen geben den ungefragten Ratschlag: „Nehmen Sie sich das doch nicht so zu Herzen!“
Statt schweigen und ’stark sein‘ fordern uns die beiden Coaches und Ratgeber-Autorinnen Nathalie Springer und Catharina Wilhelm auf, genau hinzusehen. Innezuhalten und zu fragen, was passiert hier?
Oft rufen wir in solchen Situationen bereits in der Kindheit verinnerlichte Glaubenssätze auf – anstatt souverän in die Kommunikation einzugreifen. Mit dem Mantra ‚Nicht mit mir‘ möchten die Autorinnen uns zu einer Haltung einladen, mit der wir derartige Situationen aktiv statt passiv gestalten können.
In 4 Fragen stressigen Situationen auf den Grund gehen
Wie wichtig es ist, solche Reaktionen auf Kommentare, Kritik oder Ratschläge zu betrachten, erlebte ich jüngst bei einer Einführung in The Work by Byron Katie. Coach Guido Scharfenberg machte uns in einem Einführungsabend im Coworking Space Rayaworx auf Mallorca mit der Methode vertraut. Anhand des Anschauungs-Beispiel, das eine Teilnehmerin freundlicherweise anhand ihrer jüngsten Stress-Situation anbot, entdeckten wir jede Menge vor langer Zeit gespeicherte Gefühle, Erfahrungen und Erinnerungen.
Ähnlich den vier Fragen, die wir bei The Work by Byron Katie kennenlernten, verlaufen auch die von den Buchautorinnen Springer und Wilhelm skizzierten Gespräche, mit denen sie verschiedene stressige Situationen und deren Auflösungen darstellen:
- Ist das wahr?
- Kannst du mit absoluter Sicherheit wissen, dass das wahr ist?
- Wie reagierst du (was passiert in dir), wenn du diesen Gedanken glaubst?
- Wer wärst du ohne den Gedanken?
Typen für jeden Anlass
Dazu gliedern Springer und Wilhelm das Buch in verschiedenen Typen, mit denen wir es zu tun haben können.
Ich mag ja Personas*, daher sprach mich die von den Autorinnen gewählte Form, die auslösenden Momente mit Typen zu belegen, sehr an. Wir alle haben unsere Eigenheiten und manchmal versetzen uns andere Menschen in eine stressvolle Situation.
Damit wir sowohl die Situation als auch unser Gegenüber besser einordnen können, beschreiben uns die Autorinnen einige Beispiele und deren Auflösungen. Der Ratgeber wird so konkreter und die Personen der Beispiele verständlicher. Das ist sehr interessant und vielleicht hilft es einen nach und nach, sich besser auf solche Menschen (Typen) einzulassen.
Die Typologie im Buch liefert jede Menge mit Praxiserfahrung angefüllte Beschreibungen dieser Auslöser, die andere irritieren, sie sprachlos, hilflos oder perplex machen. Hier beispielhaft eine kleine Auswahl aus den kreativ benannten 13 auslösenden Typen:
- Bumerangwerfer
- Dramaqueen
- Drängler
- Gletscherfürstin
- Herunterspieler
- Ratschläger
Nun, das klingt ja sehr bösartig… Ihre Wortwahl für die Typologie erklären die Autorinnen:
„… beschreiben wir die Typen aus der Perspektive derer, die sich von ihnen die Handlungsunfähigkeit treiben lassen. Deshalb sind sie absichtlich (manchmal grotesk) überzeichnet, bedrohlich und eindimensional, auch wenn die Menschen dahinter in anderen Situationen nett, witzig und sympathisch sein können.“
Und diesen Ansatz lösen die beiden Autorinnen auch ein. Erst erinnerte es mich an die klassische Ratgeber-Literatur mit vielen vielen Fallbeispielen, mit denen ich gerne mal allein gelassen wurde. Sprich, was ich daraus lernen sollte, war vor lauter Beispielen kaum erkennbar. Anders bei „Nicht mit mir!“ – hier werden die Beispiel immer wieder unterbrochen und die konkrete Ableitung erläutert. Für mich sind daher die zusammenfassenden Übungen als Resümee der jeweiligen Typologien sehr angenehm.

Übung zum Typ ‚Drängler‘
Damit ihr versteht, was ich meine, habe ich eine Übung herausgegriffen. Im Kapitel „Der Drängler“ geht es um Situationen mit Menschen, die regelmäßig Druck auf ihr Umfeld ausüben, denn ein Team sei auf Trab zu bringen, weil Zeit ja schließlich Geld sei.
Ich denke diese Übung kann für viele von euch sehr nützlich sein (Seite 117f):
„Haben Sie … immer das Gefühl, sich unendlich beeilen zu müssen? Essen Sie hastig, oft vielleicht einfach nebenbei am Arbeitsplatz? Bestimmt die Uhr Ihr Leben?
Dann legen Sie sie doch einfach mal ab, oder legen Sie Ihr Smartphone auf die Vorderseite, sodass Sie die Zeit aus den Augen verlieren.“
Spannend: Das mache ich schon seit Jahren, wenn ich das Smartphone überhaupt aus der Tasche ziehe!
„Sie können aber auch jetzt – in Ihrem Wohn- oder Arbeitszimmer – die Schuhe und Socken ausziehen, die Augen schließen und im Zeitlupentempo ein paar Schritte machen. Was nehmen Sie wahr? Und nehmen die unterschiedlichen Bereiche Ihres Fußes alles gleich wahr – oder doch unterschiedlich?
… stellen Sie sich vor, Sie würden über Moos laufen. Oder über Herbstlaub – oder durch Schnee – oder über Klee. Wie würde sich das jetzt anfühlen?
Lassen Sie sich Zeit! Und wiederholen Sie die Übung ruhig ein paar Tage hintereinander.“
Eine wunderbare Achtsamkeits-Übung, die wieder erdet und Kraft bringt für die digitalen und beruflichen Herausforderungen.
Website zum Buch „Nicht mir mir“:
nicht-mit-mir.academy/das-buch/
Ich bin gespannt, ob ihr die Tipps zur Gelassenheit ausprobiert; schreibt mir wie es euch erging damit!
Grüsse von der Insel,
DoSchu
* Personas werden Stellvertreter.innen für verschiedene Interessengruppen genannt, an die sich Produkte oder Dienstleistungen richten. Die Personas werden mit genauen persönlichen Eigenschaften, Lebenswelten und Charaktereigenschaften beschrieben; sie zeichnen sich durch unterschiedliche Ansprüche an die fraglichen Produkte oder Services aus. Eine Persona sollte sehr nah an einer realen Person aus der jeweiligen Anspruchsgruppe entwickelt werden, die sie vertritt.
Transparenzhinweis: Von der Autorin und Freundin Catharina Wilhelm (siehe hier im Blog Solopreneur Social Media – Interview mit Catharina) erhielt ich freundlicherweise ein kostenfreies Rezensionsexemplar von „Nicht mit mir“ (Kösel Verlag, 2017) – herzlichen Dank!
Doris Schuppe • Dieser Beitrag Souveräne Kommunikation erschien zuerst im Blog DoSchu.Com
Illustration by DoSchu / DoSchu.Com
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