Social Networks am Arbeitsplatz – Verbot sinnvoll?

Aus Angst vor Wirtschaftsspionage unterbinden einige Konzerne Deutschlands die Nutzung von Social Media über das firmeneigene Netzwerk. Gleichzeitig sind die Marketing- und auch Personalabteilungen in sozialen Netzwerken aktiv. Sie präsentieren ein modernes Unternehmen, das die Kommunikation der Neuzeit zu nutzen versteht. Ein Dilemma. Verbieten oder Erlauben – so pauschal ist diese Frage nicht zu beantworten.

Und es wäre schade, wenn sich mittelständische Unternehmen daran ein Beispiel nähmen, und sich eher den Risiken von Social Media als den Chancen widmen. Denn gerade jenseits der Großkonzerne hilft das Social Web enorm bei der Positionierung im Wettbewerbsumfeld. Sei es im Vertrieb oder im so genannten „War of Talents“, dem Kampf um fachlich hochqualifizierte Mitarbeiter.

Ein Verbot der Social Media-Nutzung am Arbeitsplatz ist der einfache Weg für Sicherheits-Verantwortliche (IT, Datenschutz). Zumindest verhindert dies ein ungewolltes Einschleusen von Schad-Programmen in die Unternehmens-IT. Industriespionage wendet dies kaum ab: Die findet ihren Kanal und ist nicht erst mit Social Media ermöglicht worden.

Chart aus Daten des Social Media Report HR 2010
aus: Social Media Report HR 2010

Social Media als Führungsaufgabe

Die Frage, ob Social Media im Unternehmen genutzt wird oder nicht, darf nicht an die IT-Abteilung delegiert werden. Der Umgang mit Social Media ist eine wichtige Führungsaufgabe, zu der das Management möglichst die verschiedenen Betriebsbereiche an einen Tisch holt: Geschäftsführung, Marketing, Kommunikation, Vertrieb, Service, IT und Rechtsabteilung. Beherrscht Sprachlosikgeit das Verhältnis zwischen den Abteilungen, ist das sicher eine gewisse Herausforderung. In manchen Betrieben bedeutet auch die Abgabe von „Kontrolle“ und die Verteilung der externen Kommunikation auf mehrere Köpfe, die nicht unbedingt in der Chefetage angesiedelt sind, ein Veränderungsprozess.

Je mehr der folgenden Punkte in Unternehmen zutreffen, umso einfacher fällt es, eine passende differenzierende Social Media-Nutzung am Arbeitsplatz zu definieren:

  • Fundierte Kenntnis über Social Media bei Führungskräften
  • Eindeutige Regeln, welche Daten und Informationen der Verschwiegenheit unterliegen (Stichwort Governance)
  • Vertrauen in die Mitarbeiter, dass sie keinen Handel auf ebay oder den Arbeitstag auf einer virtuellen Farm verbringen
  • Aktives Wissen der Mitarbeiter zu Compliance-Vorgaben, Urheberrecht (Copyright, Marken) oder Vertraulichkeitsvereinbarungen
  • Gelebte ethische Verhaltensregeln im Geschäftsalltag

Bitte bewerben Sie sich via Facebook…

Stellen wir uns vor, eine neue Mitarbeiterin wird über Social Media-Aktivitäten einer Personalabteilung angeworben. Das ist nicht unrealistisch: Immerhin nutzen gemäß dem Social Media Report HR 2010 für das Recruiting 82 Prozent der in dieser Studie befragten deutschen Firmen das Business-Netzwerk Xing.

Auf Platz zwei folgt mit 43 Prozent das Engagement auf Facebook – das soziale Netzwerk, das durch Foto- und Video-Sharing sowie vielfältige Erweiterungen („Apps“) wie das weltweit beliebte Social Game „Farmville“ sicher einiges an Ablenkung aufbietet.

Erwartungshaltung der Mitarbeiter an Unternehmen

blogillustration Kommunikation

Aber zurück zu unserer neuen Kollegin: Sobald sie ihren Arbeitsplatz angetreten hat, kann sie Social Media nur noch in ihrer Freizeit nutzen. Und sie weiss, wie authentisch wohl das Verhalten ihres Arbeitgebers im Social Web einzuschätzen ist. Mit den Social Media-Aktivitäten der Personalabteilung verband sie als Kandidatin eine flexible Unternehmenskultur (und einen positiven Employer Brand) – nun trifft sie auf eine Unternehmenskultur, die der aussen dargestellten Aufgeschlossenheit wenig entspricht.

War der Social Media-Kontakt ein wichtiges Moment in der Entscheidungsfindung bei der Job-Auswahl, kann jetzt schon der erste Schritt für eine „innere Kündigung“ gemacht sein. Unrealistisch? Wer ist in Social Media aktiv: gut ausgebildete „High Potentials“. Wer ist auf dem Arbeitsmarkt – Stichwort „War of Talents“ – nur schwer als Mitarbeiter zu gewinnen: „High Potentials“. Oft gekennzeichnet durch eine gute Vernetzung mit wichtigen Business-Kontakten.

Es geht ja nicht darum, non-stop zu twittern oder auf Facebook zu posten, sondern beispielsweie Nachrichten aus dem auch geschäftlich wichtigen Netzwerk zur Kenntnis zu nehmen bzw. Verabredungen zu treffen. Welches Unternehmen verbietet es, einen Friseur- oder Zahnarzttermin oder einen Kinobesuch per Telefon zu vereinbaren? Genau wie Dauertelefonate mit Freunden ist stundenlages Online-Chatten die Ausnahme, die es zu regeln gibt.

Eine Generation künftiger Arbeitnehmer wächst gerade mit Social Media-Tools wie wir mit Telefontechnologie auf (gern bemühtes Schlagwort „Digital Natives„). Da kommen auf Unternehmen einige neue Erwartungshaltungen der Mitarbeiter zu, die nur begehrte Arbeitgeber eventuell mit Achselzucken abtun können. Aber die Vertrautheit mit den Tools an sich ersetzt nicht, Mitarbeiter über den Umgang mit diesen in der Business-Kommunikation vertraut zu machen.

Jungen Mitarbeitern ist wichtiger, dass die Unternehmenskultur zu ihnen passt, als dass sie einen „sicheren“ Arbeitsplatz gefunden haben. Und es ist keine Neuigkeit, dass die Leistungsbereitschaft der Belegschaft steigt, je stärker sie sich mit ihrem Unternehmen identifizieren kann. Damit geht die Produktivität und insgesamte Leistungsfähigkeit der Firma einher.

Ein Tool ist ein Tool: Die Anwendung muss gelernt werden

Unter langjährigen Mitarbeitern hält sich hartnäckig das Gerücht, junge Betriebskollegen haben Computer, Software-Tools und natürlich das Internet hundertprozentig im Griff. Zurück zum Telefon: Jeder von uns kann ein Telefon bedienen – aber würden Sie behaupten, dass jeder ein gutes Telefongespräch führen kann? Allein die Fähigkeit, einen Social Media-Kanal zu bedienen, reicht nicht aus, damit eine für die Geschäftsziele unterstützende Kommunikation zu entwickeln.

Führung heisst hier, auch dafür zu sensibilisieren, dass Äusserungen im Social Web als „offizielle Statements“ des Arbeitgebers missverstanden werden können. Und Tipps zu geben, wie dieser Eindruck vermieden werden kann. Daher ist es unerlässlich für jedes Unternehmen, passende Social Media Guidelines für den Betrieb zu diskutieren, zu entwerfen und bekannt zu machen.

Mobil an Sperren vorbei

Kommen wir noch mal zu dem Thema Verbot von Social Media im Unternehmens-Netzwerk. Der Entwicklungsstand unserer Handys ist extrem weit fortgeschritten. Unsere kleinen elektronischen Begleiter übernehmen immer mehr Funktionen, die wir lange Zeit unterwegs nur mit Laptops nutzen konnten. Der Absatz dieser „Smartphone“ boomt – 2011 wird jedes 3. neue Handy in Deutschland ein Smartphone sein, prognostiziert BITKOM.

Das bedeutet: Geben Mitarbeiter nicht am Betriebseingang ihre Handys ab, können sie ihr Social Network mobil nutzen und pflegen. Insofern sind pauschale Verbote einfach zu unterlaufen und zögern nur die wichtige Auseinandersetzung mit den neuen Kommunikationskanälen und deren Chancen und Risiken heraus.

Tipps zur Vertiefung des Themas

2 Feedbacks


  • (hpf) Leider sehen immer noch viele Unternehmer den Vorteil von Social Media nicht oder wollen ihn nicht sehen. Natürlich müssen Datenschutz-relevante Gesichtspunkte beachtet werden! Nur, die Unternehmen können sich dem Potential sozialer Netze nicht für immer verschließen. Hier müssen die Firmen noch viel lernen.

    Viele Grüße
    Hubert Pflumm (hpf)
    http://www.pflumm.de

  • Danke für den Kommentar! Prinzipiell kann jeder Mitarbeiter eines Unternehmen ein „Markenbotschafter“ sein (siehe die bloggenden Bandkollegen bei Daimler). Aber klar: Solche Themen sollten am besten in den jeweiligen Social Media Guidelines bzw. im Rahmen der Diskussionen dazu angesprochen werden.


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