Einer der Gründe, warum Einzelselbständige oder Kommunikations-Verantwortliche vermeiden Social Media-Plattformen zu nutzen: „Ich habe Angst etwas falsch zu machen.“ Neuland betreten fällt vielen Menschen schwer. Klar, es kostet Zeit sich in digitale Medien einzufühlen. Es ist jedoch nicht nur dieser Anfangsaufwand, hier schwingt oft ein hoher Anspruch an sich selbst mit: „Wenn ich auf Facebook, Instagram oder Twitter aktiv werde, dann soll es perfekt sein.“ Und so sperren sie ihren Mut in den Käfig.
Ihr/Sie mögt/mögen es kaum glauben, aber ich kann das sehr gut nachvollziehen. Perfektion habe ich in meinem Studium (Biologie/Informatik) selbstverständlich beigebracht bekommen. Die wirtschaftliche Perfektion lernte ich dann als Fachredakteurin in einer Agentur (herzlichen Dank, Ulf!): Die Abwägung, wann eine Dienstleistung perfekt im Rahmen des Budget und der Vorgaben ist.
Wo ich so drüber nachdenke, lernte ich im naturwissenschaftlichen Studium, wie ein großes Forschungsthema in kleine Untersuchungsschritte zerlegt wird. Wie kleine Studienergebnisse nach und nach das große Bild zusammensetzen und Annahmen korrigieren. Denn wir stellten Erklärungsansätze zu Phänomenen in den Raum, die wir dann durch Experimente und Studien belegen wollten. Und dann merkten wir im Verlauf der ersten Testreihen, dass wir noch nicht auf der richtigen Fährte waren. Eigentlich ein völlig logisches Verfahren, dass jedoch -auch in der Forschung- mit persönlichem Ehrgeiz oder Anspruch in Konflikt kommt.
Mut zu Fehlern in Unternehmenskultur
Denn wir streben danach Fehler zu vermeiden. Eine Fehlerkultur wie ich sie aus Erzählungen in den USA kenne, ist in unserer Gesellschaft verpönt. Es soll alles perfekt sein. Wir haben wohl vergessen dass schon ein altes Sprichwort sagt: „Irren ist menschlich“. Also dass Fehleinschätzungen zu uns als Menschen dazu gehören. Wichtig ist meines Erachtens nur, dass und was wir aus einem Fehler lernen.
Da erfreute mich das Ergebnis einer Umfrage aus dem April 2016: 73 Prozent der befragten Unternehmen wollen Freiräume schaffen, in denen „Mitarbeiter kreativ und innovativ an der digitalen Transformation arbeiten können.“ Dazu gehört auch ein anderer Umgang mit Risiken und Fehlern:
„Rund 60 Prozent sind der Meinung, die Unternehmen sollten gezielt daran arbeiten, mangelnde Risikobereitschaft zu überwinden und eine Kultur der Fehlertoleranz zu etablieren.“
Pressemitteilung Arbeit 4.0 Studie*
Wow, das ist ein wichtiger Schritt finde ich. Am Prozentsatz der Unternehmen, die so denken, muss freilich noch gearbeitet werden.
Wie mit Mut zu Fehler und Risiko umgehen?
Mut zu Fehler und Risiko bedeutet nicht, Aufgaben nur noch halbherzig oder unvollständig zu erledigen. Vielmehr sind es diese Faktoren, die wir anstelle eines Strebens nach Perfektion für eine mutige und nach vorne schauende Haltung beherzigen:
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- Anfangen und Ausprobieren: Statt perfekter Vorausplanung ans Umsetzen herangehen, selbst wenn noch nicht in alle Richtungen nachgedacht wurde, welche Konsequenzen es nach sich ziehen könnte, zum Beispiel wenn wir einen Prozess verändern.
- Aufmerksamkeit für innovative Aufgaben: Statt Zeit auf die (über)perfekte Erledigung von Routineaufgaben zu bündeln, sich stärker neuen, unbekannten und eventuell (noch) unwohlen Herausforderungen stellen. Manchmal bedeutet das, erst einmal das Delegieren von Aufgaben zu lernen, um andere fähige Menschen (Team, Kollegen, Abteilungen, Dienstleister,…) in die Pflicht zu nehmen.
Ich verrate sicher kein Geheimnis: Wir fühlen uns zum Teil richtig wohl bei der Erledigung von (zeitaufwändigen) Standardaufgaben. Sie geben uns ein Gefühl von Sicherheit; wir haben schneller das Gefühl, etwas geschafft zu haben. Jedoch bleibt uns dann für innovatives Handeln bleibt zuwenig Zeit.
Für Kommunikatoren wichtig: Geschäftliche Social Media-Profile können nur in Ausnahmefällen nebenbei betreut werden. Statt sich noch mehr Anforderungen anzuhängen ist hier ein Freischwimmen von delegierbaren Aufgaben angeraten. - Kleine Schritte & Lernen: Neue Herausforderungen in „mundgerechte Anfangs-Schritte“ zerlegen, um aus diesen ersten Erfahrungen für die gesamte Herausforderung zu lernen. Auf diesem Wissen den nächsten Teilschritt planen, aus dem wiederum gelernt wird. Wie in der agilen Software-Entwicklung in kleinen Schritten vorgehen und regelmäßig nachjustieren. Positiver Nebeneffekt: Das jeweilig zu verantwortende Risiko ist geringer. Bei Fehlern in die Zukunft gerichtet betrachten, was wir aus daraus lernen und ableiten können.
Kreislauf aus Versuch & Irrtum
Für das Umgehen mit Fehlern und Rückschlägen klingt es nach einem viel versprechenden Weg, eine Programmiersprache zu erlernen. Am besten schon im Kindesalter. Seit 2012 lernen in den USA Mädchen das Programmieren bei Girls Who Code. Im TED-Vortrag erzählt die Gründerin Reshma Saujani im Februar 2016:
„Während ich ihnen Programmieren beibrachte, merkte ich, dass ich ihnen gleichzeitig beibrachte, mutig zu sein. Programmieren ist ein endloser Kreislauf aus Versuch und Irrtum. Man versucht, den richtigen Befehl an die richtige Stelle zu schreiben. Manchmal macht ein kleines Semikolon den Unterschied zwischen Erfolg und Misserfolg aus. Bei einem Fehler kann alles in sich zusammenfallen. Es braucht oft sehr viele Versuche bis zu dem magischen Moment, bis das, was man versucht hat zu bauen, plötzlich lebensfähig wird. So etwas braucht Durchhaltevermögen. Es braucht Unvollkommenheiten.“**
Reshma Saujani, Girls Who Code
Tipp: TED Vortrag von Reshma Saujani „Teach girls bravery, not perfection“ (YouTube)
Haben Sie / Hast Du eine Programmiersprache gelernt – welche? Hat es den Umgang mit Risiko und Fehlern erleichtert?
* Arbeit 4.0-Studie: Deutsche Führungskräfte wollen mehr Fehler machen
** Transkript zu TED-Vortrag von Reshma Saujani englisches Original: „…and what I found is that by teaching them to code I had socialized them to be brave. Coding, it’s an endless process of trial and error, of trying to get the right command in the right place, with sometimes just a semicolon making the difference between success and failure. Code breaks and then it falls apart, and it often takes many, many tries until that magical moment when what you’re trying to build comes to life. It requires perseverance. It requires imperfection.“
Doris Schuppe • Dieser Beitrag Mut statt Perfektion erschien zuerst im Blog DoSchu.Com
Fotos: DoSchu / DoSchu.Com
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1 thought on “Mut statt Perfektion”
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