Aktuell facht das Beispiel einer unzufriedenen Kundin eines Mobilfunk-Providers die Angst vor einem so genannten Shitstorm im Social Web an. Stehen die Winde günstig, kann aus einer Beschwerde über mangelhaften Kundendienst ein Flächenbrand entstehen, der plötzlich viele Menschen involviert. Ich sprach mit Buchautor Klaus Eck über das Phänomen.
Obwohl kein Tagesgeschehen hat sich der Begriff „Shitstorm“ sehr verbreitet und wird rasch als Killerargument ins Rennen geführt, um jegliche Aktivität eines Unternehmens im Social Web abzulehnen. Sicherlich bedarf es in betroffenen Organisationen jeder Menge Fingerspitzengefühl und Kompetenz in Krisenkommunikation um auf eine Welle unsachlicher Kritik passend reagieren zu können. „Wenn wir uns die Beispiele ansehen, stehen vorwiegend bekannte Marken im Fokus,“ sagt Kommunikationsexperte Klaus Eck und rät zu einem Frühwarnsystem sowie definierten internen Ansprechpartner für eine rasche Reaktionsfähigkeit.
:1: Den Deutschen wird in Umfragen eine ausgeprägte Risiko-Orientierung bescheinigt. Was meinst Du, Klaus: Sind wir auch in puncto Social Media Pessimisten?
Klaus Eck: Ich würde mir in Deutschland in der Tat mehr Mut zum Risiko wünschen. Hierzulande überwiegen die Skeptiker, die erst einmal immer einen Nutzennachweis erhalten wollen, bevor sie sich auf etwas Neues einlassen. Wer Risiken eingeht, kann verlieren. Es ist auch in der Social Media Welt nicht alles perfekt. Das ist nicht wirklich schlimm. Aber während in anderen Ländern wie den USA der Mut des Unternehmertums beschworen wird, dürfen wir hier als selbstständige Unternehmer froh sein, wenn uns nicht prekäre Lebensumstände angedichtet werden. Als risikobewusste Unternehmer werden wir immer mitleidig angeschaut und sollen uns sogar dafür verteidigen.
Ein gewisser Kulturpessimismus wirkt sich natürlich auf die Social Media Nutzung in Deutschland aus. Oftmals hinken wir den internationalen Entwicklungen stark hinterher. Wo ist ein deutsches Google+, Facebook oder Twitter in Sicht? Nirgends. Und unsere Bevölkerung wird in den Medien ständig vor dem bösen Netz gewarnt. Dabei ist es beinahe schon ein Wunder, dass die Menschen sich trotz Datenschutzdebatten auf Facebook und Co. einlassen. Etwas mehr Zukunftsoptimismus in Sachen Social Media könnte uns gut tun. Stattdessen warnt uns der aktuelle Focus-Titel kulturpessimistisch vor virtuellen Freunden.
Kurzportrait Klaus Eck
Klaus Eck ist Geschäftsführervon Eck Kommunikationder Eck Consulting Group und berät seit über zehn Jahren kleine, mittelständische und große Unternehmen in den Themen Online-Kommunikation, Online Reputation Management und Social Media Strategie. Er ist ein nachgefragter Sprecher auf Veranstaltungen und Herausgeber des meistgelesenen deutschen PR Blogs (PR-Blogger.de). In seinem aktuellen Fachbuch „Transparent und glaubwürdig – das optimale Online Reputation Management für Unternehmen“ weist Eck mit praktischen Tipps den Weg, wie Marken und Firmen mit passender Social Media Strategie und glaubwürdiger Kommunikation das Kundenvertrauen und damit Marktanteile gewinnen. 2009 begründete Klaus Eck das lokale Chapter des Social Media Club in München.
@klauseck / Eck Consulting Group / facebook.com/Eck.Conulting.Group / Google+
:2: Unternehmen wägen vor dem Social Media-Engagement ausführlich Chancen und Risiken ab – der Fokus liegt dabei oft auf Gefahren wie einem möglichen „Shitstorm“. Kann diese Haltung bestimmten Abteilungen oder Altersgruppen zugeordnet werden?
Klaus Eck: Wer sich einfach so auf Social Media einlässt und überall Dependenzen aufbaut, darf sich natürlich auch nicht wundern, wenn dieser blinde Aktionismus wenig erfolgreich ist. Das Planen eines Social Media Engagements bewahrt Unternehmen davor, mit zu kleinen Budgets und Ressourcen in die Social Media Falle zu tappen. Erfolgreich ist man dort nur, wenn genügend Manpower hinter dem eigenen Engagement steht.
Jüngere Mitarbeiter sind häufiger in Social Media aktiv, kennen aber die Strukturen und Vergangenheit eines Unternehmens in der Regel nicht besonders gut. Wer im Unternehmen ein gutes Netzwerk aufgebaut hat, kann dieses leichter in die Social Media Welt mitnehmen. Denn dafür bedarf es vor allem Vertrauen und Glaubwürdigkeit.
Insofern haben ältere Mitarbeiter, die Social Media affin sind, eine sehr wichtige kulturelle Rolle. Je „jünger“ ein Unternehmen ist, desto weniger kulturelle Barrieren gibt es für ein Social Media Engagement. Von selbst geht es dort aber auch nicht.
:3: Wie können Mitarbeiter oder Abteilungen aus ihrer Schreckstarre zu vorurteilsfreiem Probieren und Testen überzeugt werden?
Klaus Eck: Durch klare Vorgaben vom Management und Relevanz. Wenn ich weiß, dass es sich für mich persönlich lohnt, im Social Web aktiv zu sein, werde ich es in meinen Alltag einbetten können. Ansonsten eben nicht.
Außerdem sind Vorbilder sehr wichtig. Wenn der CEO selbst twittert oder bloggt, dann ist das ein klares Signal für die Belegschaft.
:4: Viele Führungskräfte haben Angst vor einem so genannten Shitstorm – lieber nicht im Web auffallen, dann trifft einen das auch nicht. Wie hilfreich ist diese „Strategie“?
Klaus Eck: Das Wegducken kann keine Strategie sein, sondern zeugt eher von Hilflosigkeit. Die Nicht-Kommunikation kann keine Lösung sein. Auf diese Weise verliere ich auch die Deutungshoheit, lasse mich von einer digitalen Welle treiben und aufreiben. Besser wäre es diesen kleinen Sturm für ein Agenda Surfing zu nutzen. Ist die Kritik berechtigt, muss ich mir ihr stellen und sollte dabei darauf achten, sympathisch und menschlich rüberzukommen. Wer sich arrogant der Diskussion verweigert, bezahlt mitunter einen hohen Reputationspreis dafür.
In der Social Media Welt ist das Schweigen eher als Pech zu betrachten, welches an einem kleben bleibt, wenn man nicht das offene Gespräch sucht. Darüber hinaus basiert das Community Management darauf, Teil der Diskussion zu sein und diese als Betreiber einer Seite zu moderieren.
:5: Wer ist mutig, wer fiel Dir als besonders herausragendes Beispiel auf, der oder die trotz sicherlich bestehender Risiken das Social Web für die Reputation des Unternehmens in Deutschland nutzt?
Klaus Eck: Es gibt viele herausragende Social Media Akteure: Dabei gefällt mir Stefan Keuchel, Pressesprecher Google Deutschland, ganz besonders, weil er es versteht, auf allen wichtigen Social Media Kanälen gleichermaßen versiert und eloquent die Position seines Arbeitgebers zu vermitteln. Er geht dabei keiner schwierigen Debatte aus dem Weg und schlägt sich sehr gut. Selbst hartnäckige Kritiker kann er auf diese Weise für Google gewinnen.
Lieber Klaus, herzlichen Dank für das Interview und besonders für das Wortbild „Agenda Surfing“!
Illustrationen: DoSchu.Com mit Fotos von Mechanik / fotolia.com :: Leonid Tit / fotolia.com :: mozZz / fotolia.com (Klick auf Illustrationen zeigt diese vergrößert an)
Hinweis: Doris Schuppe und Eck Kommunikation Eck Consulting Group arbeiten zum Teil in Kundenprojekten zusammen
Weitere Interviews der Serie:
„5 Antworten :: Social Media & …“ – Interview Serie im Blog
Links und Unternehmensbezeichnung im Beitrag aktualisiert am 31.10.2016
Das sehe ich auch so, Herr Gaerttner. Eine PR-Abteilung bereitet sich schließlich auch auf die Möglichkeit eines kritischen Medienbeitrags vor. Die Möglichkeit von negativem Feedback sollte nur nicht wie ein Schreckgespenst jegliches Befassen im Unternehmen mit Social Media blockieren.
Wer sich auf Social Media einlässt wird sicher nicht darum herum kommen auch mal mit einen Shitstorm leben zu müssen. Und auf dieses Szenario sollte man sich vorbereiten. Was tun, wer reagiert und wie. Notfallpläne eben die es überall da gibt wo Risiken lauern.
Mann muss sich ja nicht gleich so einen Fauxpas wie der Bekleidungsstore mit „Aurora“ leisten.
Aber wenn selbst ein Bär am Schlagzeug zum Pedobär mutiert (war das KitKat?) können einem manche Social Media Manager schon leid tun.
Letztlich darf man sich aber vor dem Shitstorm nicht verstecken und warten dass er vorbeigeht, denn der folgende Flurschaden könnte erheblich sein … ein sensibler Umgang und gegebenenfalls auch das Eingeständnis eines Fehlers oder einer Unachtsamkeit sind da sicherliche die bessere Variante.