Zugegeben: Der Gedanke Social Media drängt sich bei Krankenhäusern nicht sogleich auf. Aber spätestens wenn diese mit jungen Pflegekräften und Medizin-Studierenden ins Gespräch kommen wollen, bieten Social Networks neue Wege, die bereits von einigen Kliniken beschritten werden.
Angesichts des allgemeinen Personalmangels denken Häuser darüber nach, wie sie von potenziellen Mitarbeitern als attraktive Arbeitgeber wahrgenommen werden.
Denn der Mangel an Ärzten und Pflegekräften wird zu einem immer gravierenderen Problem: Eine Erhebung des Deutschen Krankenhausinstituts (DKI) ergab Anfang dieses Jahres, dass drei Viertel der Krankenhäuser Probleme haben, ihre Stellen im ärztlichen Dienst zu besetzen („Ärztemangel im Krankenhaus – Ausmaß, Ursachen, Gegenmaßnahmen“).
Interview zu Recruiting & Social Media für Kliniken
Zu den Herausforderungen für das Recruiting der Krankenhäuser und Social Media als unterstützendes Element bei der Personalsuche sprach ich mit Elke König, spezialisiert auf das Recruiting im Gesundheitswesen.
Welche Veränderungen im Personalmanagement der Kliniken in Deutschland beobachten Sie in den letzten Jahren?
Elke König: Wie vielleicht nicht jedem bekannt ist, hat sich der Arbeitsmarkt im Kliniksektor gedreht: Ärzte und Pflegekräfte können sich die Krankenhäuser aussuchen, in denen sie arbeiten wollen. Sowohl die Kliniken als Arbeitgeber als auch deren Führungskräfte müssen sich etwas einfallen lassen, um sich in diesem „war of talents“ positiv vom Wettbewerb abzuheben.
Traditionelle hierarchische Haltungen – man denke nur an das klassische „Maul halten – Haken halten“ gegenüber jungen Ärzten – passen nicht mehr zu den Ansprüchen der Nachwuchskräfte. Als wichtigste Kriterien bei der Arbeitsplatzwahl nannten junge Mediziner in einer Studie das Betriebsklima und die kollegiale Zusammenarbeit sowie eine gut strukturierte Weiterbildung.
Kreativität im Personalmarketing ist angesagt. Und vor allem längerfristiges Denken und die Kontaktpflege mit potenziellen Kandidaten. Auszubildende und Studierende, Praktikanten, ehemalige Kollegen – sie alle sind mögliche Bewerber. Das ist ja alles nicht Neues, traditionell agierte man ebenso im kleinen Kreis. Mit Social Media wird die Welt nun ein Dorf und so kann die Kontaktpflege effizient erweitert und teilweise auf die Online-Kommunikation verlagert werden.
Haben das schon alle Kliniken erkannt und sind deutlich sichtbar im Web?
Elke König: Nahezu jede Klinik Deutschlands ist mit einer Homepage im Internet präsent. Jedoch sprechen sie vorwiegend die Zielgruppen Patienten und/oder Zuweiser an. Tatsächliches Employer Branding und Ausstrahlung der Website in Richtung Nachwuchs, Pflegekräfte oder Fachärzte realisieren nur wenige Häuser.
Dabei blenden Kliniken aus, dass Stellen auch im medizinischen Sektor vorwiegend online recherchiert werden. Hören interessierte Ärzte von einer freien Stelle – sei es über Bekannte oder die Stellenanzeigen in der Zeitung – googeln sie das Krankenhaus und informieren sich online.
Also empfehlen Sie einen speziellen Karriere-Bereich für Krankenhaus-Websites?
Elke König: Auf jeden Fall! Die potenziellen Kandidaten haben einen anstrengenden Berufsalltag – je schneller sie an für ihre Entscheidung relevante Informationen gelangen, um so besser. Aber auf vielen Klinik-Websites müssen sich Bewerber passende Details mühsam zusammen suchen. Ganz ehrlich, vor einem konkreten Vorstellungsgespräch wird diese Mühe auf sich genommen, nicht aber wenn der mögliche Arbeitgeber kurz abgecheckt werden soll.
Den Kandidaten sind zum Beispiel der Werdegang und Erfahrungshintergrund ihres künftigen Chefarztes wichtig. Leider wird dies selten in den Websites beschrieben. Zumindest einige Kliniken haben inzwischen bezogen auf junge Mediziner ihren Web-Auftritt optimiert, aber beim Thema Pflege gibt es weiter enormen Nachholbedarf.
Welche Kommunikationskanäle sollen Kliniken wählen?
Elke König: Im Personalmarketing und im Recruiting ist immer der Blick des Bewerbers entscheidend für die Auswahl des passenden Kanals. Inzwischen gibt es diverse Communities für Mediziner und Pflegekräfte, verschiedene Jobbörsen, Online-Auftritte von Fachzeitschriften und Fachgesellschaften. Und dort trifft man potenzielle Kandidaten in der virtuellen Welt. Deshalb erachte ich den Aspekt Web und Social Web als wichtigen Faktor und habe selber Kompetenz im Bereich Social Media erworben, um die Optionen zu verstehen und entsprechend bei meinen Auftraggebern nachfragen und ansprechen zu können.
Meine Expertise im Recruiting und Personalmarketing erweitere ich damit und ziehe Social Media-Kompetenz in Projekten hinzu, um das Recruiting nachhaltig zu stärken. Denn die Entscheidung der passenden Social Media-Strategie zur Unterstützung des Recruitings ist abhängig von den jeweiligen Zielsetzungen und Gegebenheiten.
Ein renommiertes Haus in der Großstadt mit Universitätsanschluss hat es vergleichsweise einfacher als eine Klinik im ländlichen Raum. Daher sollte letztere weiche Faktoren wie Work/Life-Balance, Kinderbetreuungs-Optionen oder Team-Spirit in der Kommunikation herausstellen. Zu den weichen Faktoren sollten außerdem die Weiterbildungsangebote kommuniziert werden. Denn die qualitativ hochwertige und persönliche Ausbildung wird diesen Häusern nicht unbedingt zugeschrieben.
Sind Web-Videos eine Content-Option für Kliniken?
Elke König: Videos im Internet machen Unternehmen wie Krankenhäuser anschaulicher und sprechen die Zuschauenden emotional an. Aber bitte: Es sollen inhaltlich spannende Videos sein, Beiträge mit Mehrwert. Die so genannten Image-Videos mit einem Rundgang durch die Klinik sowie Interviews mit Management und Mitarbeitern sind doch häufig austauschbar. Damit werden potenzielle Bewerber nur bedingt angesprochen.
Welche Veränderungen sehen Sie für die Zukunft?
Elke König: Das Ziel im Recruiting wird der persönliche, reale Kontakt zwischen potenziellen Mitarbeitern und Arbeitgeber bleiben, künftig sicher stark unterstützt durch Möglichkeiten des Social Web. Kommunikation und damit auch Personalmarketing läuft über verschiedene Kanäle sowohl in der virtuellen als auch der realen Welt.
Aufmerksamkeit zu erlangen wird immer schwieriger werden. Aber die Sichtbarkeit, Kontaktanbahnung und Pflege von Kontakten kann durch Social Media nachhaltig verstärkt werden. Zum Beispiel durch den langfristigen Einsatz von Social Networks, Twitter oder Weblogs. Entscheidend wird sein, die Social Media-Instrumente gezielt einzusetzen, gute Inhalte und passende Dialogangebote anzubieten. Denn auch hier gilt: A fool with a tool is still a fool.
Vielen Dank für das Gespräch!
Link-Sammlungen zu Kliniken und Krankenhäusern in Deutschland
- Management & Krankenhaus: Top 10: „Deutschlands Beste Klinik-Website 2010″
- der Gesundheitswirt: Deutsche Krankenhäuser/ Kliniken bei Facebook (11/2010)
- der Gesundheitswirt: 52 Deutsche Kliniken mit Twitter Profil (06/2010)
74 Krankenhäuser betreiben im November 2010 eine Facebook Seite oder Gruppe (im Mai 2010 war noch weniger als die Hälfte davon aktiv: 34 Häuser), bei 2.080 Kliniken in Deutschland sind dies 3,6 Prozent.
Daten: Gesundheitswirt-Blog
Doris Schuppe • Dieser Beitrag Status quo „Social Hospital“ – Social Media-Nutzung deutscher Kliniken erschien zuerst im Blog DoSchu.Com.
Illustration DoSchu
Hinweis: Es bestehen zum aktuellen Zeitpunkt keine geschäftlichen Beziehungen von DoSchu.Com zu den erwähnten Firmen