Statt drei Tage konzentriert an einem Tag: Dieses Jahr fand die Konferenz zu den Themen Internet und digitale Gesellschaft re:publica in Digitalien statt. Dabei wurden gefühlt kaum Abstriche an der Fülle im Programm gemacht.
Online und kostenfrei – so ging es am 7. Mai um 11:30 (nein: 10 Minuten Wartezeit musste schon sein) los auf der Plattform re-publica.tv. Mit 89 Sprecher:innen, 52 Stunden Programm in vier parallelen Kanälen und anschließenden Video-Chats zur Vertiefung (deep dives). Hier stelle ich meine Perlen vor.
Doris Schuppe • Der Beitrag Perlen der re:publica remote erschien zuerst im Blog DoSchu.Com.
As Team As Possible
Sehr beeindruckt hat mich im re:work Kapitel die Session ‚As Team As Possible‘ – Interne Kommunikation für dezentrale Teams. Katharina Baartz und René Worlitzer erzählen mit viel Berliner Flair davon, wie die 5.600 Kolleg:innen der Berliner Stadtreinigung trotz verteilter Arbeitsorte in Kontakt bleiben.
Für die Covid-19 Situation waren sie gut vorbereitet: Bereits seit 2018 nutzt die Berliner Stadtreinigung die myBSR Mitarbeiter-App. Als nun ein der Großteil der Angestellten mit Büroarbeitsplätzen ins Home Office zog (1.200), war auch das schon gelernt: Seit einiger Zeit ist es erlaubt, ortsunabhängig zu arbeiten.
Diejenigen, die in der Situation erstmals digitales Neuland betraten, konnten ihr Fragen an so genannte „Corona-Lotsen“ aus dem Team stellen. Die Session ist sehr spannend, da hier alle Bereiche des Unternehmens einbezogen sind, und der positive Austausch innerhalb der Belegschaft ein wunderbares Beispiel ist.
Selbstverantwortung
Besonders diejenigen, die plötzlich und ohne Vorbereitung vom Home Office aus ihrer Tätigkeit nachgehen, erzählen von vielfältigen Überforderungen. Teilweise auch von Schockstarren, in denen sie nur noch ‚funktionieren.‘ Klar, die Kommunikation im Team ist komplett anders, wenn sich die Bürokolleg:innen jenseits der vertrauten und gewohnten Bahnen bewegen.
Als Teammitglied sind wir keine willenlose Aufgaben-Empfänger:innen, und manchmal ist es erforderlich wieder den eigenen Handlungsspielraum zu gewinnen. Dazu empfehle ich diese Session mit Franziska Krüger und Marion King von den Les Enfants Terribles sowohl für Mitarbeiter:innen als auch Führungskräfte: Dein eigener Wirkkreis: Über Selbstverantwortung in Corona-Zeiten. Darin beschreiben sie zudem die sehr wirksame Übung des Circle of Influence von Stephen Covey.
Globale Nahtoderfahrung
Wie wird sich die Sicht auf die Arbeit verändern, nachdem viele feststellen durften oder mussten, wie es sich anfühlt ohne Pendelei in den Tag zu starten. Die Gleichzeitigkeit der Covid-19 Auswirkungen vergleicht Ansgar Oberholz in seiner Session mit einer „Globalen Nahtoderfahrung“. Und daher geht er davon aus, dass deren Effekte nachhaltig sein werden:
„Man wird Dinge hinterfragen, man wird Dinge anders tun man, man wird seine Zeit ganz anders einteilen.“
Ansgar Oberholz • #rpremote 2020
Und diese Fragen werden neue Orientierung und veränderte Priorisierungen nach sich ziehen. Ich bin sehr gespannt darauf! Redefining New & Work youtu.be/f3RPuUMXjco
Keine Angst vor Naturwissenschaft
Naturwissenschaftliche Themen gelten als spröde und unbeliebt (außer Tierdokus). In meinem Seminaren zeige ich gerne das überaus beliebte Twitter-Profil des ISS-Astronauten Alexander Gerst mit 1,2 Millionen Follower. Die aktuellen Diskussionen zeigen wie wichtig naturwissenschaftliches und biologisches Basiswissen ist – Nachhilfe gibt hier beispielsweise der YouTube Kanal maiLab der Chemikerin Mai Thi Nguyen-Kim.
Im Podcast Coronavirus-Update von NDR Info www.ndr.de/nachrichten/info/podcast4684.html sprechen die beiden Wissenschafts-Redakteurinnen Korinna Hennig und Anja Martini regelmäßig mit dem Leiter der Virologie in der Berliner Charité, Christian Drosten. Ich freue mich, wenn nach Anhören der Interview-Session von Markus Beckedahl die Erfahrungen der beiden Redakteurinnen endlich der letzten Redaktion klar macht, fundierte wissenschaftliche Themen finden durchaus ein Publikum, das interessierter ist als befürchtet wird. Ein Blick hinter die Kulissen des erfolgreichsten Corona Podcasts youtu.be/eJfBC12B5wo
Alles am Internet ist super
Covid-19 hat dem letztes Jahr bei Einreichung des Vortrags provokant gedachten Titel Alles am Internet ist super das Polarisierende genommen. In der Session gehen Kathrin Passig & Leonhard Dobusch unterhaltsam der interessanten Frage nach, welche technischen Möglichkeiten für die Gesellschaft und das Berufsleben vor 30, 20 oder 10 Jahren zur Hand waren, wenn es zu einer Covid-19 Situation gekommen wäre.
Fazit #rpremote
Gefehlt hat auf jeden Fall die Nähe zu anderen Teilnehmenden. Bekannte Gesichter treffen, spontan jemanden kennenlernen, Sprecher:innen noch mal was fragen auf dem Hof. Kein Freundschaftsbändchen bis der Stoff nachgibt. Und: Anders als auf anderen Online Barcamps der letzten Monate erlebt vermisste ich eine verbindende Klammer. Der Hof-Channel im Video-Konferenzformat konnte das nicht wirklich bieten, wenn er nicht gerade Opfer eines Zoom-Bombing war. Zu viel Kommen und Gehen, kam dann einmal eine interessante Gesprächsrunde zusammen, wurde prompt der Raum für eine Programmsession gebraucht.
Soweit zu meinen Perlen aus dem umfangreichen Programm. Da ist mir sicherlich noch vieles durchgegangen, es gab ja auch keine Leute, die in einen rennen auf dem Weg zu einer spannenden Session und einen mitreißen. Ich fand es toll, dass es eine Art re:publica gab, die ich ohne Reise besuchen konnte. Und so sage ich herzliches DANKESCHÖN für die Inspirationen aus den Online-Sessions. Es hatte zudem etwas sehr Entspannendes, die letzten Programmpunkte auf dem Sofa im Fernseher anzuschauen.
Was waren Deine Highlights der re:publica im digitalen Exil?

Videos der re:publica remote
- Video Kanal re:publica www.youtube.com/user/republica2010/
- re:publica im digitalen Exil – der Film youtu.be/BCTxYmC4Jfs
- Quaraoke Abschlussingen der re:publica-Community youtu.be/qC5RVwiKDSE
Illustration & Screenshots: DoSchu / DoSchu.Com