Interview mit Anja Schöne / LV1871
Zu meinen ‚Social Media Manager‘-Seminaren lade ich externe Gäste ein, die den Teilnehmenden Impulse aus der Praxis mit auf den Weg geben. Jüngst konnte ich dafür Anja Schöne gewinnen: Die Social Media und Content Managerin sprach über die Hintergründe und das Konzept des Corporate Influencer Programms der Versicherung LV1871.
Doris Schuppe • Dieser Beitrag Fallbeispiel Corporate Influencer aus München erschien zuerst im Blog DoSchu.Com
Mit dem Anspruch des Entwickelns und Befähigens waren in Anja Schönes Unternehmen andere Abteilungen rasch mit im Boot, erzählte sie uns. Mich persönlich erfreut, dass sogar die Personalabteilung mitmachte, die in vielen Unternehmen nun eher verhalten in punkto Social Media agiert. Ein Corporate Influencer Programm hat eben jede Menge ‚Employer Branding‘ zu bieten – also Strahlkraft auf Bewerberinnen und Bewerber.
Im Anschluss an das Seminar interviewte ich Anja Schöne fürs Blog, damit auch ihr etwas von diesem Thema mitnehmen könnt. Und zwar von einem Beispiel aus Deutschland! Denn so oft schlug mir ein ‚achja, naja, in den USA, aber hier in Deutschland…‘ entgegegen, wenn ich in Kommunikation-Konzepten auch Corporate Influencer ansprach.
Hinweis: Dieser Beitrag mag vielleicht für Einzelne wie Werbung klingen, ist es aber nicht; der Text ist weder bezahlt noch sonstwas. Ich finde das Thema sehr wichtig und habe die Gelegenheit genutzt, mit jemandem aus der Praxis darüber zu sprechen.
:: Dankeschön für Deinen Impuls und die Diskussion, liebe Anja!* Macht jetzt die Belegschaft Deines Unternehmens Deinen Job als Social Media-Verantwortliche?
Anja Schöne: Nein. Unser Corporate Influencer Programm ist kein Ersatz für die Corporate Social Media-Aktivitäten, sondern eine Ergänzung. Wir wissen: Menschen vertrauen anderen Menschen eher als abstrakte Marken. Unsere inzwischen fast 30 Expertinnen und Experten aus allen Unternehmens-Bereichen publizieren auf ihren persönlichen Social Media-Kanälen – sowohl über ihre persönlichen Interessen als auch über ihren Arbeitsalltag und ihre Fachexpertise.
Unsere Corporate Influencer bekommen offline mehr Raum und treten verstärkt als ExpertInnen auf. Sie halten Vorträge und sind ansprechbar auf Events. Dafür erhalten sie von uns ein umfassendes Schulungsprogramm und Unterstützung beim Aufbau ihrer eigenen Personenmarke. Wir wollen durch unser Corporate Influencer Programm die Kommunikation authentischer und persönlicher machen – und damit auch sichtbarer.
:: Authentische Geschichten aus dem Arbeitsalltag erzählen – hast Du dazu mal ein Beispiel?
Anja Schöne: Ich habe sogar zwei: Ich empfehle gerne einen Blick auf das Medium-Profil meines Kollegen David Ibl (https://medium.com/@davidibl). Er bloggt dort darüber, wie IT und agile Methoden bei der LV 1871 tagtäglich funktionieren. Aber Vorsicht: Das ist teilweise Wissen für IT- und Agility-Nerds ;-)
Wer meiner Kollegin Kathrin Falkenstein auf Twitter folgt (https://twitter.com/kmhawkstone), erfährt wie sie ihren Arbeitsalltag mit Familie und Kindern organisiert, zum Beispiel im Home Office. Außerdem man kann dort gut nachverfolgen, wie wir Möglichkeiten für lebenslanges Lernen in unserer Unternehmensorganisation integrieren.
Unsere Corporate Influencer zeigen auf LinkedIn ihre Fachexpertise, oder berichten auf Twitter live von Events. Ihre Beiträge fassen wir auf einer Social Wall (https://walls.io/LV1871SocialWall) im Netz zusammen, ebenso wie alle weiteren Beiträge, die in ausgewählten sozialen Medien über die LV 1871 veröffentlicht werden.
:: Wie sorgt ihr dafür, dass euer Corporate Influencer Programm keine Schleichwerbung bewirkt?
Anja Schöne: Wenn etwas von einem Unternehmen kommt, ist es schnell Werbung. Doch erzählt mir eine Person, der ich vertraue, die ich vielleicht schon etwas länger kenne, genau die gleiche Geschichte, wird es häufig eher als Empfehlung wahrgenommen.
Aber es stimmt schon, die rechtlichen Fallstricke sind nicht von der Hand zu weisen. Deshalb haben wir im Schulungsprogramm für unser Corporate Influencer Team auch rechtliche Workshops und Vorträge vorgesehen. Dabei geht es vor allem darum, die Kolleginnen und Kollegen für die verschiedenen Problemstellungen zu sensibilisieren.
Zusätzlich haben wir seit Beginn unserer Social-Media-Aktivitäten eine Social Policy in Form von Tipps und Tricks im Umgang mit Social Media entwickelt. Hier geht es weniger um Verbote und erhobene Zeigefinger, als vielmehr um Hilfestellungen, wie sie sich richtig verhalten und was sie vermeiden sollten. Diese Unterlagen werden regelmäßig aktualisiert und an neue Anforderungen angepasst.
Nicht Gatekeeper sein, sondern Enabler
:: Ein sehr wichtiger Punkt. Musste bei den Kolleginnen und Kollegen erst die Begeisterung für Social Media geweckt werden, wenn ja wie?
Anja Schöne: Das war bei uns ehrlich gesagt gar nicht nötig. Viele meiner Kolleginnen und Kollegen waren schon länger im eigenen Namen in den sozialen Medien unterwegs und haben dort erste Erfahrungen gesammelt. Bei dem Corporate Influencer Programm ging es uns also vielmehr darum, dieses Potenzial für unsere Markenwahrnehmung zu nutzen. Und dabei wollen wir nicht Gatekeeper sein, sondern Enabler.
Das ist für alle Beteiligten eine Win-Win-Situation: Wir bieten ein umfassendes Schulungsangebot und die Möglichkeit die eigene Reputation aufzubauen. Umgekehrt machen wir uns das Know-how, die Frequenz und Präsenz unserer Corporate Influencer in den sozialen Medien zu Nutze, um mehr Sichtbarkeit zu erreichen.
:: Wie wird die Führungsebene in das Programm einbezogen?
Anja Schöne: Führungskräfte nehmen bei unserem Programm eine wichtigeVorbildfunktion ein, sowohl intern wie extern. Knapp ein Drittel der Corporate Influencer sind Führungskräfte. Auch unser Vertriebsvorstand Hermann Schrögenauer geht mit gutem Beispiel voran. Er ist zum Beispiel auf LinkedIn sehr aktiv.
Auch die wichtigen Abteilungen Human Resources, Compliance und der Betriebsrat wurden bereits in der Konzeptionsphase eng eingebunden. Sie stehen hinter dem vorgestellten Corporate Influencer Programm, und nur mit ihnen kann es funktionieren: Denn den Corporate Influencern werden Zeiten und Freiheiten in ihrer Arbeitszeit eingeräumt, in der sie sich im Themenfeld der LV 1871 im Social Web bewegen.
:: Zu welchen Themen freuen sich die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen über ‚Nachhilfe‘?
Anja Schöne: Unsere Schulungen zu Social Media und Recht sind natürlich sehr beliebt, genauso die Workshops zu LinkedIn und Twitter. Häufig steht die Frage im Fokus: Wie finde oder schaffe ich guten Content?
Tools: digital & persönlich
Welche Tools setzt ihr für das Programm ein?
Anja Schöne: Wir nutzen für das Monitoring Swat.io, mit dem wir auch unsere Corporate Social Media Kanäle managen im Hinblick auf Planning und Publishing. Für den Austausch im Corporate Influencer Team haben wir einen Slack-Kanal eingerichtet – und natürlich sind auch die persönlichen Treffen nach Feierabend ein wichtiges Tool für den Austausch.
:: Hast Du eine persönliche Lieblings-Plattform im Social Web?
Anja Schöne: Ich bin ein großer Fan von Twitter, weil dort viel Expertinnen und Experten zu meinen Lieblingsthemen – Social Media, Kommunikation/PR und Fußball – aktiv sind. Inspirationen für Reisen in meiner Freizeit hole ich mir über Instagram. Natürlich kann man sich mit mir auch auf allen Kanälen vernetzen (@SumChi). (siehe Links unten)
Welche Events rund um Social Media oder digitales Marketing sind für Dich wichtige Termine im Jahr?
Anja Schöne: Die re:publica ist eigentlich immer ein fester Termin in meinem Kalender. Auf der Content Marketing Conference (CMCX) war ich in diesem Jahr zum ersten Mal (siehe mein Bericht „#CMCX Recap: Fünf Ansätze für den Weg aus der Content-Flut“ https://www.linkedin.com/pulse/cmcx-recap-f%C3%BCnf-ans%C3%A4tze-f%C3%BCr-den-weg-aus-der-anja-sch%C3%B6ne/). Aber man findet mich gelegentlich auch auf den Events vom jetzt neu aufgestellten Social Munich Team (https://www.facebook.com/socialmunich/).
Dialog & Flausch
:: Welche Wünsche hast Du an die Entwicklung von Social Media?
Anja Schöne: Drei Dinge:
- Erstens: Unternehmen sollten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht als pures Sprachrohr verstehen. Corporate Influencer sind ein wichtiger Kommunikations- und Kontaktpunkt, über den auch die Meinungen und Eindrücke von außen ins Unternehmen gelangen. Dieses Potenzial sollten Unternehmen für sich nutzen.
- Zweitens: Ein bisschen mehr Flausch.
- Und drittens, dass Twitter endlich den Editier-Button für Rechtschreibfehler einführt.
:: Oh, da kann ich für alle drei Wünsche mitvoten! Herzlichen Dank & viel Erfolg!
Anja Schöne im Profil
Anja Schöne ist als Social Media und Content Managerin bei der Lebensversicherung von 1871 a.G. in München tätig. Bevor sie 2010 in die Versicherungsbranche wechselte, war Schöne für IBM Deutschland in Stuttgart tätig. In Jena studierte Anja Schöne Anglistische Sprachwissenschaft, Interkulturelle Wirtschaftskommunikation und Politikwissenschaft.
Links zur Vertiefung und Vernetzung
Anja Schöne ist hier im Social Web aktiv:
- Instagram: instagram.com/SumChi
- LinkedIn: linkedin.com/in/anja-sch%C3%B6ne-66b4aa147/
- Twitter: twitter.com/SumChi
- Xing: xing.com/profile/Anja_Schoene3
Pressemitteilung Mehr Sichtbarkeit durch Corporate Influencer lv1871.de/lv/news/corporate-influencer/ (Mai 2019)
FYI • Markenbotschafter vs. Corporate Influencer
Manche denken, Corporate Influencer ist einfach nur das neumodische Wort für die Bezeichnung Markenbotschafter, die wir schon seit einigen Jahren kennen. Sicherlich wird das in einigen Fällen auch so sein, bei genauer Betrachtung unterscheiden sie sich. Markenbotschafter treten eng mit der Unternehmensmarke verknüpft auf; Corporate Influencer dagegen bilden starke Eigenmarken. Wahrscheinlich einer der Gründe, warum sich Kontroll-verliebte Firmen in Deutschland eher schwer mit Corporate Influencer-Kommunikation tun.
Menschen abonnieren Markenbotschafter im Social Web, weil sie Informationen und Neuigkeiten zu den Produkten des Unternehmens interessieren. Die Entscheidung, einem Corporate Influencer zu folgen, hat dagegen sehr viel mehr mit der individuellen Person zu tun. Und klar: Wie in vielen Bereichen so verschwimmen auch hier die Abgrezungen.
* In der Akademie der Bayerischen Presse ist es üblich, sich zu duzen.
Illustration by DoSchu / DoSchu.Com mit Canva.com; Foto Anja Schöne: LV1871