Die weitere Entwicklung von virtuellen Welten wird viele kreative und interessante Ergänzungen zum „Real Life“ bieten – wir stehen hier erst am Anfang. Es wird oft vergessen, dass 3D-Internet und Virtuelle Welten noch neue technologische Entwicklungen sind.
Erweiterter Blickwinkel

Bei der oft anzutreffenden engen Sicht auf Entwicklungen der virtuellen Welt Second Life aus dem Hause Linden Lab wird ausgeblendet, wie zahlreich das Angebot virtueller Welten tatsächlich ist. Kzero liefert dazu jedes Quartal anschauliche Charts (siehe unten).
Und neue Welten kommen stetig hinzu. Ein weiterer Hinweis, dass hier noch sehr viel Bewegung und Veränderung im Markt stattfindet. Second Life hebt aus der Vielzahl heraus, dass es eine sehr offene Plattform ist, die es nahezu komplett den Nutzern überlässt, Inhalte zu erschaffen.
Diese Freizügigkeit der Plattform machte lange Zeit nur Second Life für den Einsatz im geschäftlichen Umfeld relevant. Diese Virtuelle Welt ist kein Spiel mit vorgegebenem Anfang, Etappen, Belohnungen und Finale. Second Life kann für den jeweiligen Nutzungszweck individuell ausgerichtet werden.
Wissensvermittlung als Erfahrung in 3D
Dadurch ist diese Welt einerseits sehr reizvoll, weil erfinderische Anwender neue kreative Formen der Informations-Vermittlung erschaffen können.
Beispielsweise beeindruckte mich die virtuelle Ausstellung King Tut Virtual Exhibition (Fotos), deren „Cosmic Gallery“ Exponate aus den Grabkammern von Tut-Anch-Amun in einer von Schwerkraft losgelösten Form zeigte.
Hier erwarte ich in der Zukunft noch mehr phantasievolle Darstellungen, wenn die Abbildung der realen Welt ihren Reiz verliert und die Grenzen von Online-Architektur und -Interaktion innovativ ausgelotet werden.
Oder die Sprachseminare des Goethe Instituts in Second Life: Passend zur Unterrichtseinheit wird der Schulungsraum per Knopfdruck in ein Restaurant verwandelt, damit situationsbezogen gelernt werden kann.
Positiv: starke Erinnerung an virtuelle Begegnungen
Menschen, die einen Event in Second Life besucht haben oder mit einem anderen Avatar gesprochen haben, erinnern sich an diesen Vorgang ähnlich einem Zusammentreffen im realen Leben. Schon Goethe erkannte uns als „optische Wesen“, die visuelle Wahrnehmung ist ein sehr wichtiger Sinneseindruck.
Begegnungen in virtuellen Welten wie Second Life werden wesentlich stärker als Erlebnis wahrgenommen, als es beispielsweise ein Telefonkonferenz oder ein Webinar vermag. Statt eine Website einer Marke zu besuchen kann die Erforschung einer virtuellen Marken-Welt einprägsamer ausfallen – Markenerlebnis („Brand Experience“) pur.
Daher sehe ich virtuelle Welten auch als eine gute Ergänzung zu Konferenzen und Events – sie bieten eine räumliche Umgebung für den Austausch und lockeren Fach-Talk mit Fachleuten, Praktikern und Experten, die nicht extra weltweit anreisen müssen.
So geschehen zuletzt im Juni 2010 bei der Konferenz Realidades Virtuais des Goethe Instituts in Lissabon: via Second Life wurden Interessenten aus anderen Ländern mit Teilnehmern vor Ort zusammen gebracht.
Ungünstig: Performance und Komplexität
Nach meinen Erfahrungen erleben einige neue Nutzer von Second Life zwei wesentliche Show-Stopper:
- Die Leistungs-Anforderungen an die Hardware sind recht hoch – gängige Arbeits-Rechner und vor allem Laptops sind da schnell überfordert. Abstürze und verlangsamte Reaktion des Avatars auf die Steuerung nerven Neulinge.
Das Performance-Thema erledigt sich erfreulicherweise mit jeder neuen Rechner-Generation, die in die Läden kommt.

Diese Problematik hat der Anbieter in der Hand, trotz der sehr schön überholten Oberfläche des Viewer 2.0 sind Menüs weiterhin gerne überfrachtet. Aber es geht in die richtige Richtung: Die neue rechte Seitenleiste animiert mit dem „Reiseführer“ zum Besuch von interessanten Inseln und Inhalten, gespeicherte Links oder virtuelle Güter (Kleidungselemente z.B.) stehen hier übersichtlich im Zugriff.
Kostenlose Nutzung versus Abo-Modell
Dabei darf nicht vergessen werden: Die Nutzung von Second Life ist zunächst kostenlos! Mit schmalem Budget ist es für universitäre Projekte und andere Bildungseinrichtungen wie die VHS möglich, virtuelle Seminare anzubieten.
Das sieht bei virtuellen Spielwelten wie „World of Warcraft“ oder des im Oktober startenden „Lego Universe“ ganz anders aus – hier werden monatliche Abo-Gebühren fällig.
Apropos Spiele…
Und sehen wir uns den Spielebereich an, dann ist es nicht mehr die Frage, ob sich virtuelle Welten durchsetzen werden. Sowohl die Spielerzahlen von 3D-Spielen wie „World of Warcraft“ als auch die Umsätze, die in diesen Umgebungen mit virtuellen Gütern gemacht werden, sprechen Bände (siehe Mehr als 12 Millionen Onlinespieler in Deutschland).
Gerade wurden auf der Konferenz E3 Electronic Entertainment Expo im Konsolen-Sektor von Microsoft (xBox) und Sony (PS3) interessante Neuentwicklungen gezeigt, wie Spieler durch ihren Körper bzw. mit speziellem Eingabegerät ähnlich Nintendos WII ihre Spielfigur durch eine virtuelle Spielumgebung steuern.
Und: Sony hat in der virtuellen Welt Playstation Home (PS3) den eigenen Messestand auf der E3 für den virtuellen Besuch in 3D abgebildet. Ich war selber überrascht, dass so viele Spieler hier Trailer angeschaut und an der Schnitzeljagd über den Stand teilgenommen haben.
Wer seit der Kindheit beginnend mit den Sims mit virtuellen Umgebungen vertraut wird, empfindet diese im Erwachsenenleben als wesentlich selbstverständlicher als wir uns das heute vielleicht vorstellen können. Ähnlich wie Kinder inzwischen ein Handy bzw. ein Smartphone benutzen und als „Standard“ ansehen.
Und genau wie inzwischen das Handy kaum noch wegzudenken und immer dabei ist, tragen wir unser Social Network mobil mit uns herum. Sogar bis in die Umkleidekabine…
Social Shopping im virtuellen Fitting-Room?
Im Mai bewies Bekleidungshersteller Diesel, dass schon heute Freunde im Social Network Facebook in die Anprobe zur Beratung kommen können. In Spanien installierten Läden die „Diesel Cam“, mit der ein Foto des neuen Outfits im Facebook Profil geposted werden kann.
Für die Zukunft kann ich mir durchaus vorstellen, dass vernetzte Umkleidekabinen Freundinnen virtuell zusammenschalten können, selbst wenn die eine in Mailand und die andere in New York zum Shoppen unterwegs ist.
Zur Info: Virtuelle Welten aufgeteilt nach Alter der Nutzer (KZero)
Dieser Artikel erscheint als Beitrag für die 14. Ausgabe des WissensWert Blog Carnival (Juni 2010)
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Roundtable Virtuelle Welten 2020
Fotos: DoSchu.Com (Screenshots) :: Chart: Kzero
Hinweis: Es bestehen zum aktuellen Zeitpunkt keine geschäftlichen Beziehungen von DoSchu.Com zu den erwähnten Firmen
Wirklch sehr informativ! Werde aufjedenfall wieder kommen. Danke fuer den Beitrag.
Gruss
Andres